Klimawandel

Hilfe gegen Hochwasser

10.11.2025

Die Starkregenereignisse haben in den vergangenen 40 Jahren in Österreich deutlich zugenommen. Die schlechte Nachricht: Wegen des Klimawandels ist die Tendenz weiter steigend. Die gute: Mit klugen Maßnahmen kann Österreich sich gegen das Hochwasser schützen. Experten sagen, wie.

Die Bilder des September 2024 wird man so schnell nicht vergessen: Die Westausfahrt bei Wien Auhof steht unter Wasser. Die U-Bahn-Baustelle in der Pilgramgasse wird völlig verwüstet, und mächtige Spezialbaumaschinen werden von den Wassermassen zerstört. In Niederösterreich brechen die Dämme. Zahlreiche Gemeinden werden überflutet. Das gesamte Tullnerfeld ist von den sintflutartigen Regenfällen betroffen.

Milliardenschaden

Die Gesamtbilanz des Schadens, den das sogenannte „Jahrhunderthochwasser“ anrichtete: mindestens 1,3 Milliarden Euro – laut Berechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Mehr als 800 Unternehmen waren betroffen. Privathaushalte erlitten Schäden von bis zu 700 Millionen Euro. Die öffentliche Infrastruktur wurde stark in Mitleidenschaft gezogen: So wurde die Westbahnstrecke schwerbeschädigt und konnte erst drei Monate nach dem Hochwasser wiedereröffnet werden. Die ÖBB veranschlagte die Reparaturkosten für ihr Streckennetz im dreistelligen Millionenbereich.

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So dramatisch diese Zahlen sind. Es kommt noch schlechter: Denn Experten gehen davon aus, dass es nicht ein weiteres Jahrhundert dauern wird, bis uns ein ähnliches Unwetter wieder heimsucht. Dies belegt eine aktuelle Studie der Uni Graz: Kurzfristige Starkregenereignisse in Österreich haben seit 1980 an Intensität zugenommen. Eine Analyse über 100 Jahre laufender Messreihen zeigt, dass sie mittlerweile im Durchschnitt 15 Prozent mehr Niederschlag bringen. Die Hauptursache für diese Entwicklung: die gestiegenen Temperaturen im Zuge des Klimawandels.

„Die Zahl extremer Starkregenereignisse nimmt deutlich zu“, meint auch Gregor Grassl, Associate Partner und Experte für klimaangepasste Gebäude- und Stadtentwicklung beim Beratungsunternehmen Drees & Sommer. Die katastrophalen Ereignisse aus dem September 2024 zeigen, seiner Ansicht nach, dass bisherige Standards nicht mehr ausreichen. Ein flächendeckender Hochwasserschutz und eine klimaresistente Stadtplanung sind für Städte und Gemeinden zukunftsentscheidend“, so Grassl. Starkregen sei besonders tückisch, „weil er spontan und punktuell niedergeht und daher schwer planbar ist“. Grassl hat aber auch eine gute Nachricht: „Städte können sich mit dem richtigen Know-how anpassen und widerstandsfähiger werden.“

Der Experte gibt dem aktuellen Hochwasserschutz in Österreich auf der Schulnotenskala ein Befriedigend. „Er ist in Ordnung, aber es gibt noch viel Luft nach oben. Einerseits müssen die Standards aktualisiert werden. Die bestehenden sind nicht schlecht, aber sie sind nicht an den Klimawandel angepasst.“ Andererseits, so Grassl weiter, fehle „das Denken über Gemeindegrenzen hinweg. Die Gewässer, ob klein oder groß, bilden ein durchgängiges System. Wasser fließt nun mal von oben nach unten und kennt keine kommunalen Grenzen. Das ist in Österreich wie auch in anderen Ländern eine der größten Herausforderungen.“

Grassl nennt fünf Handlungsfelder, mit denen Städte und Gemeinden ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Starkregen deutlich erhöhen können:

  1. Die Analyse der lokalen Risiken: Starkregen kann auch abseits von Flüssen schwer kalkulierbare Überschwemmungen verursachen. Wichtig sind daher regelmäßige Risikoanalysen und Tests der bestehenden Schutzsysteme.
  2. Blau-grüne Infrastruktur fördern: Grünflächen und urbane Freiräume fungieren als natürliche Rückhalteräume und puffern Niederschläge ab. „Man spricht auch von Schwammstädten, weil die Flächen wie ein Schwamm wirken und Regenwasser aufnehmen“, erklärt Grassl.
  3. Flächen entsiegeln: Asphalt und Beton verhindern, dass Regenwasser versickert. „Um dem entgegenzuwirken, muss man große Flächen entsiegeln und mit wasserdurchlässigen Alternativen ersetzen“, sagt Grassl.
  4. Verzicht auf kontraproduktive Dämme: Starre Dämme leiten Wasser oft zu schnell ab und verschärfen Überschwemmungen anderswo. Grassl dazu: „Statt Wasser beschleunigt abzuleiten, gilt es, es zu bremsen und zu puffern.“ Das sei beispielsweise mit sogenannten „Poldern“ möglich. Dabei handelt es sich um Rückhalteflächen, die bei Hochwasser geflutet werden können, um die Wasserführung flussabwärts zu verringern.
  5. Integration in Stadtplanung und Bauleitplanung: Schutzmaßnahmen sollten frühzeitig in Bauprojekte integriert werden. Grassl: „Rückhalteflächen können gleichzeitig als Parks, Spielplätze oder Aufenthaltsräume genutzt werden.“

Die Zusammenfassung des Experten: „Statt reaktiv auf Ereignisse zu reagieren, sollten Städte und Gemeinden proaktiv in klimaresiliente Infrastrukturen investieren.“ Derartige Maßnahmen kosten Geld. Grassl hält das allerdings für ein sinnvolles Investment. Es geht um Rückhaltewerke, Zisternen, Dämme, Dachbegrünung und mehr. Aber diese Maßnahmen sind technisch und wirtschaftlich sinnvoll, weil sie weniger kosten als die Schäden, die sonst

Investitionen in Hochwassershutz rechnen sich

Rückendeckung bekommt der Berater von anderen Experten. Zwischen 2014 und 2020 hat Österreich laut dem Wiener Kontext Institut für Klimafragen jährlich durchschnittlich mehr eine Milliarde Euro in Klimaanpassung investiert. Hier ist allerdings nicht nur der Hochwasserschutz enthalten. Das Wegener Center Graz hat berechnet, dass sich diese Kosten bis 2050 mehr als verdoppeln werden. Aber, so das Kontext Institut: „Solche Investitionen zahlen sich aus. Einerseits werden Schäden, etwa durch Überschwemmungen oder Ernteverluste, deutlich geringer ausfallen. Andererseits profitiert die gesamte Gesellschaft, da die Produktivität und die Beschäftigung steigen.“

Für die Bauwirtschaft sind das durchaus positive Nachrichten. Sie kann den Anschub durch forcierte öffentliche Aufträge in den Hochwasserschutz gut gebrauchen. So gesehen wird man auch die Worte von Umweltminister Norbert Totschnig (ÖVP) wohlwollend zur Kenntnis nehmen – falls ihnen Taten folgen: „Katastrophenvorbeugung bedeutet, Verantwortung für unsere Zukunft zu übernehmen – im engen Zusammenspiel von Wasser, Wald und Mensch“, so der Minister kürzlich. Denn nur wenn technische und ökologische Maßnahmen kombiniert werden, könne man sich besser vor den Folgen von Extremwetterereignissen schützen. „Jede Investition in Schutzmaßnahmen ist eine Investition in Sicherheit und Lebensqualität.“