„Leichte Morgenröte“ – Gewerbe und Handwerk hoffen auf Konjunkturwende

08.07.2025

Die wirtschaftliche Lage im heimischen Gewerbe und Handwerk beginnt sich nach einem anhaltenden Rückgang langsam zu stabilisieren. Auch wenn die aktuellen Konjunkturdaten für das erste Halbjahr 2025 weiter im Minus liegen, deuten mehrere Indikatoren auf eine schrittweise Beruhigung hin.

Bei einer Pressekonferenz der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich, bei der die aktuelle Konjunkturbeobachtung präsentiert und bildungspolitische Impulse vorgestellt wurden, machte sich erstmals Optimismus breit.
Für Manfred Denk, den neuen Obmann der Bundessparte, war es der erste öffentliche Auftritt in seiner neuen Funktion. Der Niederösterreicher übernahm das Amt am 10. Juni 2025 und folgt auf Renate Schaichlbauer-Schuster. Er stammt aus einem handwerklichen Familienbetrieb im Bereich Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, den er seit 1996 führt, und ist seit 2022 auch Bürgermeister der Gemeinde Grafenegg.

„Die Talfahrt ist vorbei – eine Stabilisierung ist ersichtlich.“
Christina Enichlmair, KMU Forschung Austria

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Zahlen zum ersten Halbjahr

Wie Christina Enichlmair von der KMU Forschung Austria erläuterte, verzeichnete das Gewerbe und Handwerk im ersten Quartal 2025 ein nominelles Umsatzminus von zwei Prozent. Preisbereinigt ergibt sich ein reales Minus von 4,6 Prozent – eine deutliche Abschwächung gegenüber dem Vorjahresquartal, in dem der Rückgang noch bei 8,1 Prozent lag. Nur das Chemische Gewerbe zeigte ein reales Plus, fast alle anderen Branchen wiesen ein Minus auf.
Für das zweite Quartal ergibt sich laut Stimmungsbarometer zwar weiterhin ein negativer Saldo von sechs Prozentpunkten, doch sei ein leichter Aufwärtstrend zu erkennen. Der durchschnittliche Auftragsbestand in investitionsgüternahen Branchen liegt stabil bei rund 13 Wochen. Zuwächse wurden insbesondere bei Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechnik (+7,9 Prozent), im Holzbau (+5,1 Prozent), bei Tischler*innen (+3,5 Prozent) und im Bauhauptgewerbe (+2,7 Prozent) registriert.
Im konsumnahen Bereich zeigt sich ein gemischtes Bild. Hier liegt der Saldo bei minus neun Prozentpunkten, 17 Prozent der Betriebe melden Umsatzsteigerungen, 26 Prozent Rückgänge. Während Kunsthandwerke und Gesundheitsberufe leichte Zuwächse verzeichnen konnten, blieb die Entwicklung bei Mechatronik, Berufsfotografie und Sicherheitsdiensten negativ.

Erwartungen für das dritte Quartal

Mit Blick auf das laufende dritte Quartal erwartet knapp jeder siebte Betrieb eine Verbesserung der Auftragslage. Insgesamt rechnen 15 Prozent der Betriebe mit einem Plus, 26 Prozent mit einem Rückgang. Damit ergibt sich ein negativer Saldo von elf Prozentpunkten – nahezu auf dem Niveau der beiden Vorjahresquartale. Enichlmair sprach von einer sichtbaren Stabilisierung: „Wir sehen im Gewerbe und Handwerk eine leichte Morgenröte.“ Von einem Aufschwung könne jedoch noch keine Rede sein.
Manfred Denk bestätigte diese Einschätzung und verwies auf die aktuelle WIFO-Prognose, die für das Jahr 2025 ein leichtes Wirtschaftswachstum vorsieht. Die Betriebe würden dem Aufwärtstrend allerdings noch nicht voll vertrauen. Er sehe den Moment gekommen, „den Hauch der Erholung in einen tragfähigen Aufwind zu verwandeln“, wie er formulierte. Die Unternehmen müssten gestärkt werden, nicht nur finanziell, sondern auch durch Planungssicherheit und Zuversicht.

„Für eine echte Frohbotschaft ist es noch zu früh. Aber ich freue mich, dass das Gewerbe und Handwerk wieder positive Stimmung verbreiten kann.“
Manfred Denk, Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk

Vier Argumente für Optimismus

Manfred Denk nannte vier Gründe für seinen verhaltenen Optimismus: Erstens seien die Betriebe des Gewerbes und Handwerks besonders nah an ihren Kund*innen und fungierten damit als Frühindikatoren wirtschaftlicher Entwicklungen. Zweitens erwarte er vom Baugewerbe wichtige Impulse – etwa durch das Auslaufen der KIM-Verordnung und sinkende Zinsen. Drittens betonte er die strukturellen Stärken der Betriebe in der ökologischen Transformation. Fördermaßnahmen müssten zielgerichtet und langfristig sein. Und viertens sehe er erste Anzeichen für einen Rückgang der bürokratischen Belastung, etwa durch die laufenden Omnibus-Initiativen der Bundesregierung. Zugleich forderte er eine Harmonisierung bestehender Strukturen – etwa der neun unterschiedlichen Bauordnungen in Österreich.

Bildungspolitischer Meilenstein

Ein zweiter Schwerpunkt der Pressekonferenz war die Vorstellung der Höheren Beruflichen Bildung (HBB). Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte, bezeichnete sie als Meilenstein, vergleichbar mit der Einführung der Fachhochschulen. Ziel sei ein durchlässiges System, das vom Lehrabschluss über den Fachabschluss bis hin zu höheren Berufsabschlüssen reicht.
Als erstes Pilotprojekt im Rahmen der HBB startet im kommenden Schuljahr die Ausbildung zur Energieeffizienzberatung auf Niveau 5 des Nationalen Qualifikationsrahmens. Diese soll praxisnah, gewerkeübergreifend und marktgerecht Kompetenzen vermitteln, die bislang durch keine bestehende Ausbildung abgedeckt wurden. Kainz verwies auf Umfragen, wonach viele Lehrabsolvent*innen mehr Entwicklungsmöglichkeiten forderten. Die neue HBB-Struktur reagiere auf diesen Bedarf und werde – ähnlich wie in der Schweiz, wo solche Modelle seit Jahrzehnten bestehen – Schritt für Schritt ausgebaut.

„Die Höhere Berufliche Bildung ist ein Meilenstein – vergleichbar mit der Einführung der Fachhochschulen.“
Reinhard Kainz, Geschäftsführer der Bundessparte Gewerbe und Handwerk

Regierungspolitik: vorsichtige Zustimmung

Auf die Frage von “Handwerk und Bau” nach der Arbeit der Bundesregierung erklärte die Führungsspitze der Bundessparte, dass man mittlerweile einen strukturierten Kurs erkenne. Die Kommunikation sei klarer geworden, wohin sich die Wirtschaftspolitik bewege. Wenn dieser Weg weiterverfolgt werde, könne darauf aufgebaut werden. Es gebe eine vernünftige Grundlage, die nun konsequent weiterentwickelt werden müsse.
Am Ende der Pressekonferenz betonte Manfred Denk, dass es noch zu früh sei, um von einer echten Frohbotschaft zu sprechen. Doch es stimme ihn zuversichtlich, dass das Gewerbe und Handwerk wieder positive Stimmung ausstrahlen könne. Die aktuelle Entwicklung sei noch ein zartes Pflänzchen, das mit Geduld und Pflege zu einem kräftigen Baum heranwachsen könne. Er hoffe auf bessere Zahlen im Herbst – und schloss mit einem klaren Aufruf: Jetzt gelte es, gemeinsam anzupacken.

Konjunkturüberblick Gewerbe & Handwerk (Stand Juli 2025)

1. Quartal 2025

  • Nominelles Minus: –2,0 %
  • Reales Minus: –4,6 %
  • Vergleich Vorjahr: –8,1 %
  • Nur Chemisches Gewerbe im Plus

2. Quartal 2025

  • Geschäftslage negativ (Saldo: –6 %)
  • Auftragsbestand: Ø 13 Wochen
  • Zuwächse u. a. bei SHK, Holzbau, Bau
  • Konsumnahe Branchen: Saldo –9 %

3. Quartal 2025 – Erwartungen

  • 15 % erwarten Plus, 26 % Minus
  • Saldo: –11 %
  • Stabilisierung sichtbar