Klein, aber nachhaltig fein
Die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) baut derzeit ein besonders nachhaltiges Gebäude: das sogenannten „Gärtnerhaus“ in Wien. Das kleine aber ökologisch feine Bauwerk soll Erkenntnisse für weitere und größer dimensionierte Projekte liefern.

„Nachhaltiger geht es fast nicht mehr.“ So beschreibt Martin Aichholzer, Geschäftsführer von MAGK Architekten, ein kleines, aber aus ökologischer Sicht besonders feines Projekt im 13. Wiener Gemeindebezirk, für dessen Planung er verantwortlich ist. Es handelt sich um den Neubau der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik – auch „Gärtnerhaus“ genannt. Hier sollen ab November 2025 auf einer Fläche von 500 Quadratmetern die Lehrerinnen und Lehrer der Landwirtschaftsschulen ausgebildet werden.
Bauherr BIG
Bauherr ist die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG). Deren Geschäftsführer Gerald Beck ist spürbar angetan von dem „spannenden“ Projekt: „Erstmals errichten wir einen Neubau, der oberirdisch fast durchgehend aus biogenen Materialien besteht“, meint Beck. „Dies ist auch unser Auftrag.“ Die Pädagogische Hochschule habe sich auch aufgrund des eigenen Bildungsauftrags und in Abstimmung mit dem Landwirtschaftsministerium dazu entschlossen, mit dem Gärtnerhaus ein „ausgesprochen nachhaltiges Gebäude“ zu errichten. Beck mit Blick auf die Errichtungsphase: „Das errechnete ‚Global-Warming-Potential‘ des Projekts erreicht sogar einen Minuswert.“
Um dieses Ergebnis zu erzielen, setzen Architekt Aichholzer und sein Team vor allem auf zwei Ansätze: „Wir verwenden beim Bau so weit wie möglich regenerative Materialien und achten stark auf die Kreislauffähigkeit – auch schon in Hinblick auf einen späteren Umbau oder den Rückbau des Gebäudes.“
Dieser Neubau sei „in der Tat ein ganz besonderer, weil hier mit lokal vorhandenem Holz, Stroh, Schafwolle, Hanf und Lehm so viele Materialien aus der Natur verwendet werden, wie selten“, unterstreicht auch BIG-Geschäftsführer Beck. Auf einem Stahlbetonkeller wird beim Gärtnerhaus ab der Kellerdecke ein vollständiger Holzbau aus regionalem Fichtenholz errichtet. Die Dämmung erfolgt mittels Stroheinblas- oder Schafwolldämmung und Strohbauplatten. Für die Akustik setzt man Strohbau-Akustikplatten mit Hanfauflage ein. Die Wandoberflächen werden innen mit Tonspachtel verputzt, die Innenräume mit robusten Holzböden ausgelegt. Die Stiege ist aus Holz. Und auch die Fassade wird mit Holzschindeln aus hartem “Abschnittholz” verkleidet.
Ähnlich konsequent ist man beim Thema Re-use: So werden in den Sanitäranlagen ausschließlich Fliesenrestposten verwertet und alte Spiegel wiederverwendet. Um das Gebäude am Ende seiner Lebensdauer leichter zerlegen zu können, werden Verbindungen verschraubt. Der Fußbodenaufbau wird trocken verlegt. Dadurch kann man sie später leicht zerlegen und sortenrein trennen. Das Gleiche ist bei den Fenstern möglich. „Sie werden mit einem Blindstock versetzt und können daher leicht ausgebaut werden, ohne dass man die Laibungen aufbrechen muss“, so Architekt Aichholzer.
Geheizt und gekühlt wird das Gärtnerhaus mit Erdwärme. Mit Ausnahme des Vortragssaals verfügen alle Räume über eine natürliche Lüftung. Extensive Gründächer ohne Schadstoffemission sorgen für sauberes Tagwasser, von dem bis zu 10.000 Liter für die Garten- und Pflanzenbewässerung in einem Speicher gesammelt werden. Überschüssiges Wasser versickert am Eigengrund.
So viel Nachhaltigkeit bislang noch nicht billig: „Im Vergleich zu einem konventionell gebauten Gebäude muss man bei so einem Projekt grundsätzlich noch mit Mehrkosten von circa 20-30 Prozent rechnen, je nach Grad der Wiederverwertung von Rohstoffen oder der nachhaltigen Beschaffung“, meint BIG-Geschäftsführer Beck. „Der Markt für innovative Bauweisen mit lokal vorhandenen oder sogar biobasierten Materialien ist noch sehr überschaubar und realistische Ideen zur Organisation und Umsetzung fehlen noch weitgehend.“
Nachhaltigkeit hat bei der BIG allerdings Priorität: „Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt uns selbstverständlich auf allen Ebenen – von strategischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten, über politische Vorgaben und Berichtswesen, bis zur Umsetzung und zum Monitoring“, so Beck weiter. „In den kommenden Jahren nehmen wir zwei Milliarden Euro in die Hand, um unser Bestandsportfolio klimafit zu machen.“ Bei Neubauten setze man auf lokal vorhandene, erneuerbare Energiequellen. „Auch die Herkunft und Lieferketten der Baustoffe sehen wir uns – nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung – noch genauer an.“
Das Gärtnerhaus sieht Beck als ein Pilotprojekt, „von dem wir uns Erkenntnisse für weitere und größer dimensionierte Projekte erwarten“. Gerade im Universitätsbau habe das staatliche Immobilienunternehmen bereits einige weitere sehr nachhaltige Projekte umgesetzt. Beck hier auf zwei Neubauten für die Universität für Bodenkultur in Wien. „Zum Thema nachhaltiges Bauen haben wir gerade mit den heimischen Universitäten die idealen Partner für langfristige Standortstrategien, immerhin befassen sich etliche davon auch inhaltlich mit dem Thema.“