Lückenschluss in der Lobau
Die Entscheidung ist gefallen: Die Lücke auf der S1 Schnellstraße im Norden Wiens soll geschlossen werden. Zu diesem Vorhaben zählt auch der umstrittene Lobautunnel. Der Bauwirtschaft bringt das Projekt einen echten Schub. Die geschätzten Kosten des Projekts: rund zwei Milliarden Euro.

Die Entscheidung war lange erwartet worden. Selten wurde ein Bauprojekt in Österreich in den vergangenen Jahren bereits im Vorfeld so heftig diskutiert wie dieses: auf der einen Seite die Argumente für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und die Ankurbelung der Wirtschaft, auf der anderen der Schutz der Umwelt. Vor wenigen Wochen war es dann so weit: Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) verkündete im Hauptquartier der Asfinag in Wien „den Lückenschluss der S1 Wiener Außenring Schnellstraße“.
Kosten von zwei Milliarden Euro
Die Lücke, von der die Rede ist, besteht derzeit noch auf der S1 Wiener Außenringschnellstraße zwischen Schwechat im Süden und Süßenbrunn im Norden. Das Vorhaben beinhaltet den Bau des viel diskutierten Lobautunnel, der unter dem gleichnamigen Naturschutzgebiet nördlich der Donau gebohrt werden soll. Das Projekt hat eine Gesamtlänge von 19 Kilometern. Davon sind 8,3 Kilometer Tunnel. Die Kosten werden auf rund zwei Milliarden Euro veranschlagt.
Das Vorhaben besteht aus zwei Abschnitten: den sogenannten Freilandabschnitt von Groß-Enzersdorf bis Knoten Süßenbrunn mit einer Länge von 10 Kilometern und der zweite Abschnitt mit dem Lobautunnel vom Knoten Süßenbrunn bis nach Schwechat mit 9 Kilometern. Der Start des ersten Abschnitts ist mit Frühjahr 2026 geplant. „Alle Genehmigungen liegen rechtssicher und unanfechtbar vor“, sagt Asfinag-Vorstand Hartwig Hufnagl. Verkehrsminister Hanke betont, er nehme „die Sorgen um die Umwelt ernst“ und das Klimaziel 2040 müsse erreicht werden. „Die Lobau bleibt unberührt.“ Kein Bagger werde durch die Lobau fahren und kein Baum werde gefällt werden. Bei der Asfinag verweist dabei darauf, dass der Tunnel in einer Tiefe von 60 Metern errichtet werden soll – eine Gefährdung des Naturschutzgebiets sei daher ausgeschlossen.
„Nachhaltiges Bauen ist eine unserer Kernkompetenzen und das wird der Mobilitätspartner Asfinag mit dem Projekt erneut unter Beweis stellen“, meint Hufnagl in einem Statement mit seinem Vorstandskollegen Herbert Kasser. Gleichzeitig sichere das Vorhaben überregionale wie regionale Wertschöpfung, sorge für eine spürbare Reduktion der Verkehrsbelastung für Anwohner*innen und leiste „einen enormen Beitrag für einen auch in Zukunft wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandort“. Hufnagl und Kasser: „Es handelt sich um eines der bestgeprüften Infrastrukturprojekte der Republik, das Mobilität und Entlastung garantiert.“
Die Argumente für das Vorhaben sind gewichtig. Laut Asfinag wird mit ihm sichergestellt, „dass hunderttausende Menschen vom Durchzugsverkehr entlastet werde, der Wohlstand der Ost-Region erhalten bleibt und Wirtschaftswachstum ermöglicht wird“. Denn die Umsetzung der S 1 setze einen „maßgeblichen Impuls für Konjunkturbelebung und Arbeitsplätze“. Der Schnellstraßenbetreiber verweist dabei auf Studien des Wifo und Eco Austria: Demnach beträgt der volkswirtschaftliche Nutzen des Projekts vier Milliarden Euro und übersteige damit „bei weitem“ die Gesamtkosten der Schnellstraße. Rund 25.000 Arbeitsplätze sollen insgesamt während der Bauphase geschaffen werden. Vor allem die Bauwirtschaft dürfte profitieren.
Vonseiten der Wirtschaft kommt daher deutliche Zustimmung: „Beim Lobautunnel hat letztlich doch die Vernunft gesiegt. Es ist erfreulich, dass Bundesminister Hanke den Stopp seiner Vorgängerin Leonore Gewessler nun aufhebt und grünes Licht für den Lobautunnel gegeben hat“, sagt Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ).
Der Tunnel sei ein richtungsweisendes Infrastrukturprojekt, das einen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Wirtschaftsstandortes Wien und der gesamten Ost-Region leistet. „Durch die künftige Verbindung der S1 wird der Durchzugsverkehr aus den dicht besiedelten Stadtteilen abgeleitet – das bedeutet weniger Staus und damit auch geringere CO₂-Emissionen. Das bringt nicht nur eine wichtige Entlastung für die Wirtschaft, sondern auch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität für die Bevölkerung“, ist Klacska überzeugt.
„Der Bau des Lobautunnels ist eine bedeutende Maßnahme für die wirtschaftliche Entwicklung. Eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur ist die Grundvoraussetzung für Wachstum, Beschäftigung und Lebensqualität“, meint auch Wolfgang Ecker, Präsident der Wirtschaftskammer Niederösterreich. „Mit der S1 schaffen wir eine moderne Verkehrsader, die Betriebe entlastet, Logistik vereinfacht und die Standortattraktivität Niederösterreichs wie auch Wiens erhöht. Damit wird nun eine langjährige Forderung der blaugelben Wirtschaft endlich Realität.“
Wenig begeistert zeigen sich dagegen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen. Der WWF spricht von einem „milliardenschweren Irrweg“. Der Tunnel gefährde demnach ein Naturparadies, versiegele bestes Ackerland und sabotiere das Erreichen der Klimaziele. Greenpeace ortet einen „katastrophalen Fehler für Klima, Natur und Mensch“. Die NGO Virus sieht Hanke sogar auf Kollisionskurs mit dem Rechtsstaat, „weil der S1 wegen Unionsrechtswidrigkeit die Rechtsgrundlage“ fehle. „In Zeiten von Klima- und Budgetkrise nun Unmengen an Steuergeldern in eine Zufahrtsstraße zu einem Tunnel zu investieren, der mitunter nie genehmigt werden kann, ist fahrlässig“, heißt es von Global 2000.
Für lebhafte Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten und Jahren ist daher gesorgt. Denn die finalen Genehmigungen für den zweiten Bauabschnitt, der den Lobautunnel beinhaltet, stehen noch aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Antrag an den EuGH gestellt, um zu klären, ob das Verfahren auch dem Unionsrecht entspricht. Zudem sind hier noch Wasserrechts- und Naturschutz-Verfahren zu führen. Ein Baubeginn ist daher frühestens ab 2030 möglich.
Mit der Errichtung der Donauquerung als Tunnel sei sichergestellt, dass keine negativen Auswirkungen auf den Nationalpark Donau-Auen oder das Grundwasser in den angrenzenden Siedlungsgebieten auftreten, betont die Asfinag. „Damit ist optimaler Umwelt- und Anrainerschutz bei gleichzeitig hoher verkehrlicher Wirksamkeit sichergestellt und es gelten höchste Maßstände hinsichtlich einer nachhaltigen Bauabwicklung.“
Der Lobautunnel:
- Projekt: S 1 Außenring Schnellstraße (Nordostumfahrung Schwechat–Süßenbrunn)
- Bauherr: Asfinag
- Gesamtlänge: 19 Kilometer, davon 8,3 Kilometer Tunnel
- Zum Tunnel: zwei Röhren, je zwei Fahrstreifen + Pannenstreifen, in 60 Meter Tiefe
- Baukosten: rund 2 Milliarden Euro