Kreislauf trotz Krise

27.05.2025

Die Dämmstoffanbieter leiden kräftig unter der Wohnbauflaute. In drei Jahren ist der Absatz um fast 30 Prozent gesunken. Eine echte Erholung ist auch 2025 nicht in Sicht. Das hindert sie aber nicht, sich intensiv mit einem Thema zu befassen, das in den kommenden Jahren immer wichtiger werden wird: die Kreislaufwirtschaft.

„Allein in den letzten drei Jahren hat die Branche in Österreich durch das geringere Bauvolumen rund 1,9 Millionen Kubikmeter weniger an Dämmstoffen verkauft und verbaut. Ein Anspringen der Bauwirtschaft wird immer dringlicher.“ Was Roland Hebbel, Vorstand der GDI 2050 – einer Interessenvertretung der Dämmstoff- und Fensterindustrie – zur Entwicklung seiner Branche zu berichten hat, lässt sich auch mit einem Wort beschreiben: Krise.

Negativrekord beim Dämmstoffabsatz

Diese Krise lässt sich auch mit einer anderen Zahl ausdrücken: Der Markt für Dämmstoffe ist in Österreich in den vergangenen drei Jahren um fast 30 Prozent geschrumpft. Nach einem Absatzhoch im Jahr 2021, in dem mehr als 6,3 Millionen Kubikmeter verkauft wurden, ging es in den Jahren danach für die Branche stetig bergab: 2022 brachte über alle Dämmstoffprodukte ein Minus von 6 Prozent, 2023 waren es 13,6 Prozent und 2024 sogar 14,5 Prozent. „2024 brachte mit insgesamt nur noch 4,4 Millionen Kubikmeter einen neuen Negativ-Rekord beim Dämmstoffabsatz“, der die GDI 2050.

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Der Einbruch trifft die gesamte Branche mit voller Härte: Besonders stark betroffen waren 2024 die alternativen Dämmstoffe wie Zellulose, Schafwolle oder Hanf. Sie verzeichneten ein Minus von 20,8 Prozent. Bei den Schaumstoffen betrug der Rückgang 17,1 Prozent, bei der Mineralwolle 10,2 Prozent.

Und die Lage bleibt auch heuer weiter angespannt. „Durch den verspäteten Beginn der Bausaison erwarten wir derzeit erneut einen Rückgang des Marktvolumens um fünf bis sieben Prozent“, meint Branchenvertreter Hebbel, im Hauptberuf Geschäftsführer von Steinbacher Dämmstoff. „Während im Neubausegment weiterhin keine Erholung in Sicht ist, erkennen wir im Bereich Sanierung ein gewisses Stabilisierungspotenzial – abhängig von Konjunkturentwicklung und Wetterlage. Mit etwas Glück lässt sich das Jahr 2025 vielleicht sogar mit einem leichten Plus abschließen“, so Hebbel weiter.

Positiv sei zu vermerken, „dass die Lockerung der KIM-Verordnung erste belebende Impulse im Finanzierungsbereich setzt“. Der Aufschwung, auf den die gesamte Bauwirtschaft sehnlichst wartet, wird aus seiner Sicht aber noch länger auf sich warten lassen. Eine deutliche Erholung des Marktes sei „frühestens Ende 2026 realistisch zu erwarten, nachhaltige Effekte dürften sich erst ab 2027 einstellen“, meint Hebbel. Seine nüchterne Prognose: „Es wird mindestens zwei Jahre dauern, bis wieder ein kontinuierlicher Fluss in der Bauwirtschaft zu spüren ist.“

Bis es so weit ist, bleibt die Branche nicht untätig. Das Management der schwierigen Marktsituation steht natürlich ganz oben auf der Agenda der Betriebe. Sie beschäftigen sich aber auch mit einem Thema, das in Zukunft immer wichtiger werden wird: der Kreislaufwirtschaft. Damit befasst sich auch Steinbacher-Geschäftsführer Hebbel, der neben seiner Funktion der GDI 2050 auch als Obmann der Güteschutzgemeinschaft Polystyrol-Hartschaum (GPH) aktiv ist. Die GPH präsentierte Mitte Mai die Ergebnisse des dreijährigen Forschungsprojekts Epsolutely, das von der staatlichen Forschungsgesellschaft FFG gefördert wurde und von Experten als „echter Meilenstein“ der Kreislaufwirtschaft bewertet wird.

Im Rahmen von Epsolutely hat eine Gruppe von heimischen Dämmstoffanbietern ein umfassendes System zur Sammlung und Verwertung von EPS-Abfällen entwickelt. Geleitet wurde das Projekt vom Forschungsinstitut Fraunhofer Austria. Ziel war es, das Material in einen geschlossenen Kreislauf zu führen – von Verpackungen über Baustellenverschnitt bis hin zu Abbruchmaterialien. Das Material wurde getrennt, gesammelt und anschließend bei der Produktion von neuem Styropor verwendet. Laut Stephan Keckeis von Fraunhofer Austria sollten in Zukunft 80 Prozent der Baustellenabfälle in den Recyclingkreislauf überführt werden, sowie 50 Prozent der Abbruchabfälle und 70 Prozent der Verpackungsabfälle.

Um es vorwegzunehmen: Das Projekt war ein Erfolg. Sowohl die logistischen als auch die technischen Herausforderungen beim flächendeckenden Recycling von EPS sind bewältigbar. Das System funktioniert in der Praxis und soll weiter ausgeweitet werden. „Das Epsolutely-Projekt zeigt, dass expandiertes Polystyrol der Wertstoff der Zukunft ist“ meint GPH-Obmann Hebbel. Heutige Dämmplatten, so Hebbel weiter, „können als Rohstoff für morgen dienen – ohne den Einsatz primärer Ressourcen“. Für Robert Novak, Geschäftsführer Vertrieb bei Austrotherm, ist Epsolutely „ein echtes Leuchtturmprojekt für die gesamte europäische EPS-Industrie.“ Österreich, so Novak weiter, „nimmt damit eine Vorreiterrolle ein und zeigt, wie praxisnah und wirksam EPS-Recycling bereits heute funktioniert“.

Austrotherm zählt zu den Unternehmen, die an dem Projekt teilgenommen haben – und zwar mit den Standorten Pinkafeld und Purbach. Die weiteren beteiligten EPS-Anbieter: Austyrol Dämmstoffe in Mödling, Flatz in Lauterach, Hirsch Porozell in Glanegg, Steinbacher Dämmstoff in Erpfendorf, und Swisspor Österreich in Gleiß. Zudem waren das Unternehmen Lust Malereibetrieb & Vollwärmeschutz und der Baukonzern Porr Mitglieder des Konsortiums.

Auf dem Weg zur Kreislaufwirtschaft war die Projektgruppe mit durchaus anspruchsvollen Fragen konfrontiert. Die Erste lautete: Wie lässt sich die Logistik der Materialrückholung organisieren? Als Antwort auf diese Frage haben die Beteiligten ein Konzept für eine österreichweite Sammlung entwickelt und in der Praxis getestet. Dabei nutzten sie auch Erkenntnisse, die Austrotherm bei seinem Recycling von XPS-Platten in den vergangenen Jahren gemacht hat.

Im Rahmen von Epsolutely wurden 5000 Sammelsäcke mit QR-Codes versehen und verteilt. Sie kamen dort zum Einsatz, wo Dämmplatten beim Hausbau zugeschnitten wurden. Über den aufgedruckten QR-Code erreichten die Verarbeiterinnen und Verarbeiter eine Online-App, in der sie die Säcke zur Abholung anmelden konnten. Die Postleitzahl der Baustelle bestimmte, welcher der Projektpartner für den Transport und die Wiederverwendung des Styropors zuständig war. Der Barcode am Sammelsack ermöglichte die eindeutige Identifikation und Nachverfolgung.

Bei der Entwicklung der App legte man einen besonderen Fokus auf das Thema Datensicherheit: „Auch wenn in der App lediglich Abholdaten erfasst werden, war es uns – auch aus kartellrechtlichen Gründen – wichtig, dass kein Datenaustausch zwischen den Unternehmen stattfindet“, erläutert Christoph Pröbstl, Projektleiter bei Austrotherm. Das System wird daher von der GPH als branchenübergreifende Instanz betrieben. Pröbstl weiter zur App: „Als Basis für Abfallbilanzen ist die Auswertbarkeit der Einzelunternehmen für Qualitätsprüfungen und Mengengerüste essenziell. Workflowintegration und Usability spielen ebenfalls eine große Rolle, denn die Software muss für jeden Anwender einfach zu bedienen und unabhängig vom jeweiligen ERP-System nutzbar sein.“

Zwei weitere Fragen, die ganz oben auf der Prioritätenliste des Projektteams standen, betrafen das Recycling selbst. Nummer eins: Sind Bauteile aus dem rückgeholten Rohstoff in ihrer Qualität den Produkten aus Neumaterial ebenbürtig? Nummer zwei: Ist es möglich, vorhandene Verunreinigungen vor dem Recycling zu entfernen? In beiden Fällen gab es eine klare Antwort: Ja.

Maximilian Bernard, Leiter Forschung und Entwicklung bei Steinbacher Dämmstoff, zur Aufbereitung des Materials: „Die größte Herausforderung ist die unterschiedliche Qualität des angelieferten Materials.“ Die Unterschiede reichen von verschiedenen Farben über verschiedene Rohstoffe wie EPS und XPS bis hin zu diversen Fremdstoffen wie Schrauben oder Putzresten. „Trotz dieser Unterschiede muss eine gleichbleibende Qualität der neuen EPS-Platten gewährleistet werden“, so Bernard.

Um eine möglichst hohe Sortenreinheit zu erhalten, setzte man Siebe und Abscheider ein. Noch wichtiger war aber die Schulung der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Unsere Kunden, die das Epsolutely System nutzen, werden direkt über entsprechende Probleme informiert. Betriebe, die das System in der ersten Testphase bereits mehrmals verwendet haben, liefern deutlich bessere Qualität als Erstnutzer“, meint Bernard.

Markus Kraft von Hirsch Servo zeigt sich über die Fortschritte im Bereich der EPS-Verpackung sehr erfreut. „Bis dato endet der Lebenszyklus meist in der thermischen Verwertung oder in Styroporbeton, wo EPS nicht wieder zurückgewonnen werden kann“, meint Kraft. Epsolutely zeige, „dass mechanisches wie auch lösungsmittelbasiertes Recycling technisch machbar ist“. Durch den Einsatz von recyceltem EPS lasse sich der CO₂-Fußabdruck deutlich reduzieren – laut Versuchen am Beispiel der MA48 der Stadt Wien sowie weiteren Berechnungen um bis zu 75 Prozent. Kraft: „Nur durch enge Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette und über nationale Grenzen hinaus kann echte Kreislaufwirtschaft gelingen.“

Bei Austrotherm ist man zu dieser Zusammenarbeit bereit. Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit gehören zur Strategie. „Nachhaltigkeit ist für Austrotherm mehr als leere Worte, sondern eine zentrale Verpflichtung“, so Geschäftsführer Novak. Im Rahmen unseres Strategieprozesses haben wir 2020 eine klare Vision definiert: Wir wollen bis 2030 der nachhaltigste Dämmstoffhersteller Europas sein.“ Das Ziel in Zahlen: Bis 2030 will man den CO₂-Fußabdruck um 30 Prozent senken. Dazu plane Austrotherm unter anderem den „Ausbau von Photovoltaikanlagen zur Ökologisierung unserer Energieversorgung sowie die laufende Reduktion des Anteils an Primärrohstoffen durch verstärkten Einsatz von Recyclingmaterial in unseren Produkten“.

Der deutsche Anbieter Schöck Bauteile, der am österreichischen Markt aktiv ist, hat sich laut Nachhaltigkeitsmanager Christoph Stratmann „zum Ziel gesetzt, bis 2035 klimaneutral zu wirtschaften“. Zu den wichtigsten Maßnahmen gehören die Steigerung der Energieeffizienz durch innovative Heizsysteme wie Wärmepumpen, der Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Reduzierung von CO₂-Emissionen. „Diese Maßnahmen sind Teil eines umfassenderen Engagements für Nachhaltigkeit, das auch eine verantwortungsvolle Ressourcennutzung und die Förderung eines fairen und transparenten Zusammenspiels mit Lieferanten umfasst“, meint Stratmann. „Für uns bedeutet Nachhaltigkeit in erster Linie Zukunftssicherung. Wir nehmen als innovationsstarkes Familienunternehmen die Verantwortung an, Leben und Umwelt dauerhaft zu schützen und zu erhalten und stellen dies vor kurzfristigen Gewinnstreben.“

Durchaus ambitioniert zeigt man sich ebenfalls bei der oberösterreichischen Synthesa-Gruppe: „Synthesa war in Österreich Vorreiter beim Thema nachhaltige Dämmstoffe. Kein anderes Unternehmen kann in Österreich auf eine fast 25-jährige diesbezügliche Geschichte zurückblicken“, sagt Geschäftsführer Paul Lassacher. Man habe bereits 2003 die Zulassung für Wärmedämmung mit Hanf erhalten und als erstes Unternehmen auf Holzwolle Dämmstoffe gesetzt. „Selbstverständlich werden wir hier weiterhin diese Dämmstoffe in unserem Programm führen, auch wenn diese Produkte in der momentan größten und längsten Baukrise seit dem 2. Weltkrieg preisbedingt etwas in das Hintertreffen gelangen.“ Nachhaltigkeit, erläutert Lassacher weiter, „endet ja nicht beim Dämmstoff“, sondern beinhalte „den Fußabdruck aller verwendeten Produkte“ und vor allem die Themen nachhaltige und ressourcenschonende Logistik: „Vor allem bei Letzterem sind durch optimierte Transportkonzepte und richtiger Nutzung aller Kapazitäten noch deutliche Verbesserungen möglich und nötig.“

Und auch das heimische Unternehmen Policell, das Schaumglasschotter zur Dämmung herstellt, nimmt das Thema ernst: „Die Nachhaltigkeitsfrage ist für uns als Produzent von nachhaltigen und ökologischen Produkten ein sehr wichtiges Thema“, sagt Vertriebsleiter Aladin Hauft-Tulic. „Kunden bevorzugen zunehmend nachhaltige Produkte. Durch unsere Produkte heben wir uns positiv von unseren Mitbewerbern ab und tragen einiges zur Umweltentlastung bei.“ Bei Policell befasst man sich intensiv mit dem Thema Urban Mining. Hauft-Tulic: „Hierbei geht es um den Rückbau von zukünftigen Neubauten und Wiederverwertung der verwendeten Materialien. Dies schont Ressourcen und reduziert die Umweltbelastung. Urban Mining wird für die Zukunft ein zentrales Thema für nachhaltiges Bauen und zur Ressourcensicherung werden.“