Tischlerei-Brandschaden

Wiederaufbau mit Zukunft

Porträt
15.09.2023

Nach einem Großbrand im letzten Jahr konnte die Tischlerei Schlemmer dank vereinter Kräfte der Familie und Hilfe aus der Region den Betrieb schnell aufbauen und 2023 erfolgreich wiedereröffnen.
Tischlerei Schlemmer - Portrait

Für viele Tischlereien war 2022 ein herausforderndes Jahr. Gestiegene Energiepreise, Preiserhöhungen und Lieferengpässe bei Materialien machten vielen Betrieben zu schaffen. Ein besonders hartes Schicksal traf aber die Tischlerei Schlemmer aus Poysdorf, als am 12. März 2022 plötzlich ein Feuer im Betrieb ausbrach. Das Hauptgebäude inklusive Werkstatt und Büroräumlichkeiten fielen dabei den Flammen zum Opfer. Die Familie stand wortwörtlich vor einem Trümmerhaufen.

Solide Basis

Heute steht die Tischlerei Schlemmer wieder. Dass sie den Schaden so gut überstand, ist vielen Faktoren zu verdanken. Das Unternehmen in fünfter Generation zählt heute 24 Mitarbeiter*innen, darunter viele langjährige Angestellte, die nach wie vor das Rückgrat des Unternehmens sind. Ein Erfolgsgeheimnis der Tischlerei ist, dass Kundenservice auch Chefsache ist. Seniorchef Martin Schlemmer war auch mit 60 Jahren noch immer auf Montage unterwegs. So kenne er die Wünsche der Kund*innen am besten und kann bei Bedarf schnell reagieren. Auch um die Nachfolge muss sich das Senior-Paar Martin und Elisabeth Schlemmer nicht sorgen. Wie das Schicksal so will, hat Tochter Karin einen Tischler geheiratet. Schwiegersohn Gregor Girsch ist seit 2021 im Betrieb und mittlerweile Geschäftsführer. Er selbst stammt aus einer Tischlerfamilie und war davor 14 Jahre in Wien bei einer Objekttischlerei tätig. Auch Karin Girsch ist im Management tätig und bringt ihre beruflichen Erfahrungen aus dem Personal- und Qualitätsmanagement ein. Perfekte Voraussetzungen, um ein erfolgreiches Familienunternehmen in die Zukunft zu führen. Doch bereits nach einem Jahr wurden die gesamte Familie und der Betrieb auf eine harte Probe gestellt. Am 12. März 2022 brannten das Hauptgebäude der Tischlerei inklusive Werkstatt und Büroräumlichkeiten ab. Die Brandschutztür konnte nur einen kleinen Teil schützen. Der Rest ist den Flammen zum Opfer gefallen. Gregor Girsch war ein Jahr im Unternehmen, als der Brand passierte. „Es war ein Hardcut. Mein Schwiegervater hat sich um den Wiederaufbau gekümmert. Ich habe das Tagesgeschäft abgewickelt.“ Durch den unermüdlichen Einsatz aller Beteiligten ging kein Auftrag verloren oder musste später abgewickelt werden.

Glück im Unglück

Die Feuerwehr hatte in Mistelbach gerade ihre Generalversammlung, als der Notruf am 12. März 2022 eintraf. Ein Glück im Unglück für die Tischlerei, denn so konnten alle zusammen sofort nach Poysdorf ausrücken. Insgesamt waren rund 120 Feuerwehrleute aus Laa, Mistelbach und Poysdorf im Einsatz. Das Wasser konnte aus dem Poybach gepumpt werden, um den Brand schneller zu löschen. Drei Tage nach dem Brand kam der Sachverständige des Bundesministeriums, um die Brandursache festzustellen: Es handelte sich um einen Rückbrand im Ofen. Schnell war klar, wie viel Geld die Versicherung zahlt. Die Abwicklung war zur Überraschung der Familie schnell, einfach und effizient. „Jeden Cent, der uns versprochen wurde, haben wir bekommen, ohne zum Bittsteller zu werden. Das schätzen wir sehr und sehen wir als nicht selbstverständlich an“, so die Schlemmers. Die Familie hatte sich schon auf Komplikationen eingestellt, aber alles lief reibungslos ab.

Mit vereinten Kräften

Der Aufbau ging dadurch relativ rasch. 2017 hatte die Tischlerei eine Halle neben dem Hauptgebäude gebaut. Das war das große Glück, denn so konnte trotz des enormen Schadens weitergearbeitet werden. Die Tischlerei hat sich dafür zunächst eine stehende Plattensäge zugelegt. Im Juni 2022 wurde das Büro übersiedelt, im Juli arbeitete die Tischlerei bereits mit einer Leih-Kantenanleimmaschine. Im Dezember desselben Jahres wurde die neue Nestingmaschine, im Jänner 2023 die neue Kantenanleimmaschine geliefert. „Wir haben eine provisorische CNC-Maschine von SCM bekommen, mit der wir im Gebäude nebenan gearbeitet haben. Außerdem haben wir mit einer stehenden Plattensäge gearbeitet“, erinnert sich Elisabeth Schlemmer. Auch die Schreibtische waren provisorisch, von der Erste Bank, eine der wichtigsten Kund*innen der Tischlerei. Außerdem haben Tischlereien in der Umgebung sofort angeboten, ihre Werkstätten mitbenützen zu können. Die Tischlerei Schlemmer ist zum Hobeln, Lackieren oder Kantenanleimen zu anderen Betrieben gefahren. „Die Solidarität der Tischlereien in unserer Region war enorm und wir sind so dankbar für die Unterstützung in diesen schwierigen Zeiten“, betonen Martin und Elisabeth Schlemmer. Trotz herausfordernder Zeiten hat es die Tischlerei geschafft, alle Mitarbeiter*innen im Betrieb zu behalten, und alles innerhalb von drei Monaten wiederaufgebaut. Das war nur möglich, weil drei Baufirmen gleichzeitig gearbeitet haben.  

Optimistisch in die Zukunft

Am 1. Juli ging Seniorchef Martin Schlemmer in die wohlverdiente Pension. 2022 war für ihn ein Jahr im Ausnahmezustand. Es gab Momente, an denen er an seine Grenzen geriet, aber mit dem Ziel vor Augen, den Familienbetrieb wieder aufzubauen, hat er diese Herausforderung gemeinsam mit seiner Familie bewältigt. Seinen Betrieb weiß er bei Tochter Karin und Schwiegersohn Gregor Girsch in besten Händen. Gemeinsam bringen sie neue Perspektiven in den Familienbetrieb. „Wir haben eine gute Unternehmensgröße und sind als Arbeitgeber beim Nachwuchs sehr beliebt. Dieses Jahr musste ich sogar Lehrlinge ablehnen“, erzählt Gregor Girsch. Für ihn ist Mundpropaganda unter Jugendlichen die beste Werbung für junge Fachkräfte. „Ich glaube, das Handwerk wird jetzt erst wieder attraktiver. Je höher ich in meiner Berufslaufbahn aufgestiegen bin, desto mehr habe ich mit dem Computer gearbeitet. Heute bin ich froh, wieder an der Kreissäge stehen zu können.“ Mit dem Einstieg von Gregor Girsch wird sich die Tischlerei auch mehr in Richtung Objektgeschäft weiterentwickeln. Zu den Referenzen gehören eine Tierklinik in Wien, die Landesfachschule Mistelbach, ein Kindergarten für das Magistrat in Wien, die TU Wien und viele Banken.
Mein Resümee nach dem Abbrand ist, wie wichtig Technologisierung wirklich ist. „Ich habe zuvor belächelt, warum Automatisierung und Technologisierung so stark gefördert werden. Wir haben nach dem Brand wie vor 20 Jahren gearbeitet, sind mit den Platten quer über den Hof gegangen. Da sieht man, wie viel ein chaotisches Plattenlager wert ist. Sonst brauchst du zwei Leute, um eine Platte mit 60 Kilogramm hin und her zu tragen. Ich bin drei Stunden am Stapler gesessen. Da weiß man, was Digitalisierung wert ist“, ist Gregor Girsch überzeugt. 

Der Maschinenpark

Plattensäge liegend – Holzher
Nesting, Breitband, 5-Achs CNC – SCM
Kantenanleimmaschine – Paul Ott
Plattenlager chaotisch – Barbaric
Kreissäge, Fräse, 4-Seiten-Hobelmaschine und Bandsäge – Henrik Winter
Brikettier- und Absauganlage – Nestro Lufttechnik
Software: RSO, OrgaCalc, RoncoFix

Branchen
Tischlerei