Baugenehmigungsverfahren: Ziviltechniker fordern mehr Tempo
Bei einer Pressekonferenz präsentierte die Kammer der Ziviltechniker*innen für Wien, Niederösterreich und das Burgenland die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung zur Dauer von Baugenehmigungsverfahren. Die Bilanz: steigender Frust, volkswirtschaftliche Schäden und der Appell nach klaren politischen Entscheidungen.

„Wir haben einen Punkt erreicht, an dem man sagen muss: So kann man nicht mehr arbeiten“, brachte Kammerpräsident Bernhard Sommer die Sache auf den Punkt – und spiegelte damit die Stimmung in der Branche wider. Beleg für den Frust sind die Ergebnisse einer Mitgliederbefragung, die nach zwei Jahren wiederholt wurde. Die erste Erhebung zur Verfahrensdauer stammte aus dem Jahr 2023. Damals gab es bereits Kritik an schleppenden Verfahren, Rückstaus in den Behörden und einem sinkenden Vertrauen auf Seiten der Planenden. Zwei Jahre später hat sich die Lage weiter verschärft.
Laut dem neuen Vergleichsbericht beträgt die durchschnittliche Verfahrensdauer in Wien mittlerweile elf Monate. In Niederösterreich und im Burgenland liegt sie mit rund fünf bis sechs Monaten etwas besser – aber auch hier zeigt sich keine substanzielle Verbesserung. Auffallend: Ein Drittel der Umfrageteilnehmenden aus dem Jahr 2023 hat sich an der aktuellen Studie gar nicht mehr beteiligt. Die Gründe? „Desillusionierung, Demotivation, Frustration“, wie Sommer vermutet.
„Wir brauchen einen klaren politischen Willen“
Die gesetzlich vorgesehene Frist zur Bescheiderstellung liegt laut Allgemeinem Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) bei sechs Monaten. In der Realität wird dieser Zeitraum oft deutlich überschritten – ohne, dass daraus Konsequenzen resultieren. Zwar sei das Verfahren komplexer geworden, so Sommer, etwa durch neue ökologische und sicherheitstechnische Anforderungen. „Aber das rechtfertigt keine systemischen Verzögerungen. Was über sechs Monate hinausgeht, ist volkswirtschaftlich nicht mehr tragbar.“
Ein Rechenbeispiel verdeutlicht die Tragweite: Bei rund 14.000 jährlich fertiggestellten Wohnungen in Wien entsprechen drei Prozent gebundener Mittel einem Äquivalent von etwa 400 nicht realisierten Einheiten – jedes Jahr. Der Präsident: „Das hat Auswirkungen auf den gesamten Wohnungsmarkt, auf Mieten, Baupreise und letztlich auf das Ziel der Dekarbonisierung.“
Paragraph 70a als „nicht gelebtes“ Reforminstrument
Ein zentrales Thema der Pressekonferenz war der § 70a der Wiener Bauordnung. Dieser erlaubt unter bestimmten Voraussetzungen die Prüfung eines Projekts durch einen unabhängigen Dritten – in der Regel Ziviltechnikerinnen. Diese Form der externen Kontrolle soll die Behörden entlasten, ohne die hoheitliche Entscheidungskompetenz zu untergraben.
„Dieses Instrument existiert seit den 1990er-Jahren – es wird aber kaum angewendet“, so Sommer. Warum? Die Kammer vermutet fehlendes Vertrauen, Unsicherheiten in der Verwaltung und einen Mangel an klarer rechtlicher Implementierung. Dabei könnte § 70a – richtig genutzt – „das System deutlich beschleunigen“, so Vizepräsident Peter Bauer. Auch eine Teilanwendung wäre denkbar, etwa für technische Fachbereiche wie Brandschutz, Statik oder Bauphysik.
Digitalisierung: Hoffnungsträger mit Strukturdefiziten
Als zweites zentrales Thema nannten die Referent*innen die schleppende Digitalisierung der Verfahren. „Eine echte Digitalisierung bedeutet: einsehbarer digitaler Akt, transparente Kommentarfunktion, nachvollziehbare Bearbeitungsstände“, sagte Ausschussvorsitzende Sophie Ronaghi-Bolldorf. Derzeit funktioniere der digitale Ablauf oft als Blackbox. Rückmeldungen kämen spät oder gar nicht, Unterlagen müssten mehrfach hochgeladen werden.
In der Umfrage von 2025 stimmten 49 Prozent der Teilnehmenden zu, dass eine digitale Abwicklung grundsätzlich zur Verfahrensverkürzung beitragen könnte – 39 Prozent bezweifeln das allerdings. Ein klarer Auftrag an die Politik, die Rahmenbedingungen zu verbessern.
Prüfmentalität und Projektkultur als Hürden
„Die Fehlerkultur in der Verwaltung gleicht oft einer Fehlersuche“, sagte Sommer mit Blick auf die internen Abläufe der Genehmigungsstellen. Kritisiert wird etwa die sequentielle Rückmeldung, auf Wienerisch “Zizerlweise”: Ein einziger formaler Mangel führt zur Rückweisung, statt in einem einzigen Durchgang alle offenen Punkte zu klären. „Wenn drei kleine Fehler zu drei einzelnen Rücksendungen führen, dauert das Verfahren drei Monate länger.“
Positiv hob Sommer hervor, dass die Stadt Wien an manchen Stellen bereits nachgebessert habe – etwa in der bauphysikalischen Prüfung. Durch bessere interne Kommunikation, Personalaufstockung und Prozessoptimierung seien spürbare Fortschritte erzielt worden. Ein Zeichen, dass Reformen wirken können – wenn sie ernst genommen und durchgezogen werden.
Strukturreform statt Einzelmaßnahme
Die Kammer betont ausdrücklich, dass es ihr nicht um Behördenkritik gehe. „Wir wissen, dass alle ihr Bestes geben – aber es reicht nicht mehr“, so Sommer. Deshalb richtet sich der Appell der Berufsvertretung auch nicht primär an die Verwaltung, sondern an die Politik. Gefordert wird ein klares Commitment in der kommenden Legislaturperiode.
Ein solches Vorhaben könnte sich laut Kammer an internationalen Beispielen orientieren – etwa am Hamburger Modell. Dort wurde unter breiter Beteiligung von über 100 Institutionen ein Maßnahmenkatalog für kosteneffizientes und beschleunigtes Bauen entwickelt. Ergebnis: Prozesse wurden standardisiert, Vorprüfungen eingeführt, die Rolle der Projektleitung gestärkt.
„Wien kann das auch“, resümiert Ronaghi-Bolldorf. „Aber dafür braucht es Mut zur Veränderung – und politische Klarheit.“