Interview & Podcast

BIM als Werkzeug für nachhaltiges Bauen

03.11.2025

Wie gelingt der sinnvolle Einsatz von Building Information Modeling (BIM) in der Praxis? Und welchen Beitrag leistet die Methode zu mehr Nachhaltigkeit im Gebäudesektor? Zwei Experten vom Wiener Architekturbüro „Alles wird gut“ geben Einblicke in ihre Arbeit und zeigen, wie präzise Daten nachhaltiges Bauen ermöglichen.

Kaum ein Begriff polarisiert in der Bauwirtschaft so sehr wie BIM. Für manche ein Allheilmittel, für andere ein weiterer bürokratischer Aufwand. Agron Deralla, Head of Digitalization and BIM bei „Alles wird gut“, räumt mit Missverständnissen auf: „Viele denken bei BIM sofort an 3D-Modellierung. Dabei ist es vor allem eines: eine Methode für besseres Informationsmanagement.“ Das Ziel: ein durchgängiger, verlustfreier Datenaustausch zwischen allen Projektbeteiligten – von der Planung über die Ausführung bis zum Betrieb.

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Vom Buzzword zur Methode

Agron Deralla
Agron Deralla, awg Architektur (C) ÖWV/Stefan Böck

„BIM ist nicht nur Building Information Modeling, sondern Better Information Management“, bringt es Deralla auf den Punkt. Voraussetzung dafür sei allerdings eine strukturierte, zielgerichtete Datennutzung: „Oft werden zu viele Informationen verlangt, ohne dass klar ist, wofür sie gebraucht werden. Das führt zu Ineffizienz und Ablehnung.“
Ein zentrales Projekt, an dem sich der Nutzen von BIM exemplarisch zeigen lässt, ist das Technische Verwaltungsgebäude (TVG) in Düsseldorf. Für das Großprojekt mit über 107.000 Quadratmetern Bruttogeschossfläche wurde das Architekturbüro mit dem internationalen buildingSMART Award ausgezeichnet. Die Gründe: innovative Datenaustauschprozesse, konsequente Qualitätssicherung und eine enge Zusammenarbeit mit allen Projektbeteiligten – inklusive der öffentlichen Auftraggeber.

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BIM als Klimaschutzinstrument

Karl Koschek
Karl Koschek, awg Architektur (C) ÖWV/Stefan Böck

BIM kann mehr als nur Planungsprozesse optimieren – es liefert auch die Grundlage für fundierte Nachhaltigkeitsentscheidungen. Karl Koschek, Head of Sustainability bei „Alles wird gut“, erklärt: „Wir nutzen BIM, um Ökobilanzen zu erstellen, Materialvergleiche anzustellen und die Auswirkungen auf das Gesamtgebäude zu bewerten. Ohne ein strukturiertes BIM-Modell wäre das nicht in dieser Tiefe möglich.“
Ein konkretes Beispiel liefert wiederum das TVG in Düsseldorf. Mithilfe der Plattform Madaster wurde dort der Materialrestwert berechnet – also der wirtschaftliche Wert der verbauten Materialien am Ende des Gebäudelebenszyklus. Zudem wurde ein Materialressourcenpass erstellt, der die Kreislauffähigkeit der eingesetzten Baustoffe dokumentiert. „Das Gebäude wird dadurch nicht mehr auf Null abgeschrieben, sondern behält einen Restwert – ein enormer Vorteil für die Kommune“, so Koschek.
Ein technisches Detail zeigt, wie komplex der Prozess ist: Um CO₂-Emissionen exakt zu erfassen, wurden im Tragwerksmodell Beton- und Stahlanteile kombiniert und in neue Materialeigenschaften übersetzt, die dann in Madaster überführt werden konnten. „Das Ganze haben wir in kleinere IFC-Dateien aufgeteilt, um Volumen- und Flächenberechnungen präzise und verlustfrei durchführen zu können“, erklärt Koschek.

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Wie BIM richtig eingeführt wird

Doch der Weg zu einem erfolgreichen BIM-Projekt beginnt nicht bei der Software – sondern bei der Kommunikation. „Viele Auftraggeber kopieren einfach Anforderungen aus anderen Projekten – oft ohne Plausibilisierung“, so Agron Deralla. Das führe zu ineffizienten Abläufen und Frustration. Sein Rat: „Schon in der Initiierungsphase eines Projekts müssen Informationsbedarfe konkret definiert werden. Wer braucht was, wann, wofür?“
Auch die interne Umsetzung im Büro erfordert Planung. „Wir schulen unsere Mitarbeiter kontinuierlich, entwickeln eigene Standards und Workflows“, sagt Agron Deralla. Denn klar ist: BIM bedeutet nicht nur technologische, sondern auch kulturelle Veränderung. Fehlerquellen lassen sich zwar reduzieren – ganz vermeiden lassen sie sich nicht. Doch BIM bietet Werkzeuge, um Planungs- und Ausführungsfehler frühzeitig zu erkennen. „Das ist ein Qualitätsvorsprung“, betont Karl Koschek. „Wenn ich im 3D-Modell sehe, dass sich ein Fenster nicht öffnen lässt, weil ein Unterzug im Weg ist, kann ich das vorab lösen – nicht erst auf der Baustelle.“

CO₂-Bepreisung und OpenBIM

Der Blick in die Zukunft zeigt: BIM wird eine Schlüsselrolle für die Kreislaufwirtschaft spielen. „Wenn wir heute ein Gebäude planen, das in 50 Jahren rückgebaut wird, müssen wir wissen, was drinsteckt – bis ins Detail“, so Karl Koschek. Aktuelle Entwicklungen wie der Zirkularitätsindex des IBO oder die kommenden Anforderungen der OIB-Richtlinie 7 zeigen: Nachhaltigkeit wird zum regulatorischen Muss – und BIM ist der Schlüssel zur Umsetzung.
Die beiden Experten sehen BIM dabei nicht als Selbstzweck, sondern als evolutionären Schritt. Agron Deralla vergleicht es mit dem Umstieg von Handzeichnung zu CAD vor Jahrzehnten. „Damals hieß es auch: Warum soll ich mich umstellen? Heute zeichnet niemand mehr per Hand.“ Und Koschek ergänzt: „Wenn ich eine teure Autoren-Software kaufe, sollte ich sie auch nutzen – nicht nur zu 20 Prozent.“
Ein weiteres zentrales Element ist die Offenheit der Systeme: OpenBIM ermöglicht den Austausch zwischen verschiedenen Programmen und Disziplinen. „Architekten, Statiker, Landschaftsplaner – alle arbeiten mit unterschiedlichen Tools. OpenBIM ist die Basis, um diese Vielfalt zu verbinden“, betont Deralla.

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Zur Person

Agron Deralla ist Head of Digitalization and BIM bei Alles wird gut Architektur in Wien. Der diplomierte Architekt verfügt über mehr als zwölf Jahre Berufserfahrung und hat sich auf die Implementierung digitaler Methoden in Planungsprozesse spezialisiert. Er entwickelt BIM-Standards, optimiert Workflows und ist für die interne Schulung der Mitarbeitenden verantwortlich. Sein pragmatischer Leitsatz: „BIM ist Better Information Management.“

Karl Koschek ist Head of Sustainability im gleichen Büro. Als erfahrener Architekt verbindet er gestalterische Qualität mit ökologischem Anspruch. Er verantwortet die Entwicklung von Nachhaltigkeitsstrategien, die Erstellung von Ökobilanzen und die Integration von Materialdaten in digitale Modelle. Koschek engagiert sich außerdem in der Weiterentwicklung von Standards für klimaneutrales und kreislauffähiges Bauen.

Stefan Böck

Stefan Böck ist Redaktionsleiter beim Österreichischen Wirtschaftsverlag