Interview

Preissteigerungen: Kein Ende absehbar

Materialkrise
27.04.2022

In der Baubranche herrscht derzeit Ausnahme­zustand. Martin Lackner, Geschäftsführer der ABAU NÖ/W, über die aktuellen Preisentwicklungen und Hilfestellungen der ABAU.

Die Baustoffpreise gehen weiter durch die Decke, Baustopps sind bereits Realität. Der Materialeinkauf ist derzeit eine hohe Kunst.Verhandlungsspielraum gibt es kaum, und die Preise halten zum Teil nur noch einzelne Tage. Martin Lackner, Geschäftsführer der Einkaufsgenossenschaft Austria Bau Niederösterreich/Wien, kurz ABAU, kann davon ein Lied singen. 

Das alles beherrschende Thema sind überall die ­Material- und Baupreise. Wie geht es der ABAU damit aktuell, ist doch der Materialeinkauf eine ihrer Hauptaufgaben?

Martin Lackner: Natürlich beobachten auch wir die aktuelle Preisentwicklung der Baustoffe mit Skepsis und Sorge. Beinahe täglich kommen Ankündigungen von Lieferanten bezüglich weiterer Preis­erhöhungen, und diese betreffen praktisch alle Materialgruppen. Derzeit ist auch leider noch kein Ende dieser Entwicklung abschätzbar.

Martin Lackner, GF der ABAU NÖ/W
Martin Lackner, Geschäftsführer der ABAU NÖ/W, über die aktuellen Materialpreissteigerungen. 

Wie sieht es mit der Verfügbarkeit aus? 

Lackner: Großteils bekommt man das Material, was man benötigt. Sogar das vielzitierte Eisen ist lieferbar, allerdings zu einem Wahnsinnspreis. Zugespitzt hat sich laut unseren Informationen die ­Situation bei Ziegeln – ohne Vorbestellungen und Reservierungen tut man sich hier als Bauunternehmer gerade schwer. Und auch bei XPS sollte man sich wieder auf längere Lieferzeiten einstellen. Alles in allem muss man aber sagen, dass die Verfügbarkeit für unsere Mitgliedsunternehmen derzeit weniger ein Problem ist als die Preise, die durch die Decke gehen. 

Im vergangenen Jahr warnten viele Hersteller vor Hamsterkäufen, um die Situation nicht noch zusätzlich zu verschärfen. Orten Sie diese Entwicklung auch aktuell?

Lackner: Es gab durchaus größere Einlagerungsbestellungen im Dezember und im Jänner – sowohl von den großen Baukonzernen als auch von ABAU-Betrieben. Aktuell finden meiner Meinung nach weniger Hamsterkäufe statt, dazu sind die Preise auch zu hoch. 

Wie kann die ABAU ihre Mitgliedsunternehmen in der aktuellen Krisensituation unterstützen?

Lackner: Die Vorteile einer ABAU-Mitgliedschaft zeigen sich in der aktuellen Situation sehr deutlich. Wir bieten unseren Betrieben eine Informationsplattform, verhandeln mit Lieferanten und wickeln nicht nur die Bestellungen, sondern bei Bedarf auch die komplette baustellenbezogene Beschaffung des Materials ab. Gerade letztere Dienstleistung wurde in den vergangenen Monaten immer stärker in Anspruch genommen, unsere Mitarbeiter arbeiten am Anschlag. Die Preissteigerungen selbst können auch wir nicht verhindern, aber zumindest gelingt es uns zum Teil, in Verhandlungen die Preiserhöhungen etwas abzuschwächen oder um ein, zwei Monate hinauszuzögern. Von jährlichen Rahmenverträgen, wie sie früher üblich waren, sind wir alle weit entfernt, aber immerhin konnten wir bei vielen Herstellern noch quartalsgültige Preise erzielen. Was in den vergangenen Monaten ebenfalls deutlich gestiegen ist, ist die Nachfrage nach gebündeltem Treibstoff- und Stromeinkauf. Das ist zwar nicht unser Kerngeschäft, aber auch hier unterstützen wir unsere Mitglieder. 

Viele Interessenvertreter warnen bereits vor ­einer Insolvenzwelle, sollte sich die Situation weiter zuspitzen. Befürchten Sie Ähnliches?

Lackner: So etwas ist schwer zu pro­gnostizieren. Aber natürlich kann es gerade für kleinere Betriebe, die keine finanziellen Rücklagen haben, bald eng werden. Auch wir haben schon im vergangenen Jahr allen Mitgliedsbetrieben geraten, keine Fixpreise mehr anzubieten. Man sollte auch bedenken: Aktuell reden wir nur über die Materialpreise. Der Bau ist jedoch sehr personalintensiv. Wenn die Lohnkosten auch anziehen – und das werden sie zwangsläufig –, wird es zu weiteren Verteuerungen kommen.

Über die ABAU

Vor 30 Jahren von regionalen Bauunternehmen als Einkaufsgenossenschaft gegründet, bietet die ABAU heute neben dem Kerngeschäft der Einkaufsbündelung ein umfangreiches Dienstleistungsspektrum – angefangen bei elek­tronischer Beschaffung über Aus- und Weiter­bildung bis hin zu Rechnung­s­kontrolle, Versicherungslösungen und vielem mehr. 

abau.at

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