Arbeitsmarkt

Kocher plant Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte

Gewerbe
16.03.2022

Die Liste der Berufe, wo in Österreich Fachkräfte fehlen ist lang, Tendenz steigend. Nun plant Arbeitsminister Martin Kocher eine Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte. Noch im ersten Halbjahr 2022 soll es einen neuen Gesetzesentwurf geben.

Neben dem demografischen Wandel ist es vor allem der Fachkräftemangel, der der heimischen Wirtschaft großes Kopfweh bereitet. Im Bereich Gewerbe und Handwerk werden unter anderem in den Berufe Schwarzdecker*innen, Dachdecker*innen, Pflaster*innen, Betonbauer*innen, Maurer*innen, Glaser*innen, Maler- und Anstreicher*innen, Kranführer*innen, Stukkateur*innen, Bautischler*innen, Dreher*innen, Fräser*innen, Bodenleger*innen, Bau- und Möbeltischler*innen, Maurer*innen, Tiefbauer*innen sowie Spengler*innen händeringend Fachkräfte gesucht. Und das ist nur ein kleiner Auszug der langen Liste der Wirtschaftskammer, die jeder online einsehen kann.

Regelmäßig macht daher Renate Scheichelbauer-Schuster, Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich, bei den Pressekonferenzen auf den Fachkräftemangel aufmerksam. Zuletzt bei der Präsentation der Konjunkturumfrage im Jänner 2022, wo Scheichelbauer-Schuster nicht verhehlte, dass der Fachkräftemangel in der Prioritätenliste immer höher rückt.

Schnellerer und flexiblerer Zugang

Am akuten Mangel an Fachkräften hat die Einführung der Rot-Weiß-Rot-Karte für Nicht-EU-Bürger*innen, die einen einfacheren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht, mit Juli 2011 nichts geändert. Auch nicht die Reform im Jahre 2019, wo zumindest einige absurde Bestimmungen weggefallen sind. Nun hat Arbeitsminister Martin Kocher im Anschluss an eine Tagung des Beratergremiums "Rat für neue Arbeitswelten" eine weitere Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte angekündigt. Bis zum Sommer möchte er dafür einen Gesetzesentwurf vorlegen.

Die Verfahren für einen geregelten Zuzug sollen laut Kocher künftig schneller und flexibler gestaltet werden. Denn die Karte müsse für Unternehmen und Arbeitskräfte aus dem Ausland künftig eine attraktive Option werden. Gleichzeitig sei es wichtig, eine Abwanderung österreichischer Fachkräfte ins Ausland zu vermeiden. Neben dem Fachkräftemangel werde sich in den kommenden Jahren auch der demografische Wandel auf den Arbeitsmarkt auswirken. Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass die Haupterwerbsbevölkerung bis 2030 um über 170.000 Menschen abnehmen wird, während in der gleichen Zeit die Gruppe der über 65-Jährigen und unter 20-Jährigen spürbar anwachsen werde. Erschwerend kommt hinzu, dass Österreich bezüglich des daraus resultierenden Defizits an Arbeitskräften mit vielen anderen Ländern, in denen es eine ähnliche Entwicklung gibt, im Wettbewerb steht, erklärte Kocher.

Attraktiveres Arbeitsumfeld für alle

Es sei daher notwendig, ein sicheres und attraktives Arbeitsumfeld für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Österreich zu abzusichern. Es müsse allen Arbeitnehmer*innen, den ausländischen Arbeitskräften genauso wie den heimischen, eine gute Perspektive geboten werden, so Kocher. In Zukunft werde es auch um weitere Qualifizierungsmaßnehmen gehen. Derzeit gäbe es ein "Mismatch" zwischen niedrig qualifizierten Arbeitskräften und offenen Stellen, die höhere Qualifikationen brauchen. Laut Kocher haben fast 50 Prozent der Arbeitslosen in Österreich nur einen Pflichtschulabschluss. Um diese Kluft am Arbeitsmarkt zu überwinden, könnten Weiterbildungsmaßnahmen helfen.

Verfahren digitalisieren und straffen

Die Wirtschaftskammer begrüßt die angekündigte Reform. Für WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf ist ein leichterer und rascherer Zugang zu gesuchten Fachkräften dringend nötig. Wie gravierend der Fachkräftemangel bereits ist, zeige nicht zuletzt das Allzeithoch an offenen Stellen. "Angesichts der demografischen Entwicklung ist nicht zu erwarten, dass sich die Situation in den kommenden Jahren bessert", erklärt Kopf. Da die Babyboomer in Pension gehen, wird die Zahl der Personen im Erwerbsalter von Jahr zu Jahr kleiner und steht einer steigenden Anzahl von Pensionist*innen gegenüber. Vor allem die Anerkennung von Nachweisen und Kompetenzen sollten erleichtert und die Gültigkeit von Sprachzertifikaten verlängert werden. Zudem müsse das Verfahren zur Rot-Weiß-Rot-Karte unbedingt digitalisiert und gestrafft werden: "Wenn es vier Monate und länger dauert, bis der Betrieb weiß, ob er den ausländischen Bewerber nun einstellen kann oder nicht, ist das alles andere als praxisgerecht." Wichtig sei es außerdem, das Potenzial von bereits hier lebenden internationalen Studenten besser zu nutzen.

Festgeschriebene Einkommensgrenzen

Kritik gab es von der Gewerkschaft vida, die aufgrund der hohen Arbeitslosenzahlen in Österreich und der EU keine Notwendigkeit für einen erleichterten Zugang für Arbeitskräfte aus Drittstaaten sieht. Mit der geplanten Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte und der weiteren Öffnung des heimischen Arbeitsmarktes, rolle die Regierung dem zunehmenden Lohndumping und der hohen Arbeitslosigkeit weiter den roten Teppich aus. Die Regierung müsse sich endlich ernsthaft zu einer aktiven Arbeitsmarktpolitik, guten Löhnen und Arbeitsbedingungen sowie zur Eindämmung des Lohndumpings bekennen, fordert vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit. Seiner Meinung nach müssten bei einer Reform die Einkommensgrenzen klar festgeschrieben werden. "Nur faire Arbeitsbedingungen und Wertschätzung, hochwertige Ausbildungen und Schulungen, gute Entlohnung sowie die Einhaltung des Arbeitnehmerschutzes sind der richtige Weg, um dem Personalmangel in Österreich entgegenzuwirken", bekräftigt Hebenstreit.