Interview

„Nicht in Spielereien verfallen“

18.06.2025

Während viele in der Baubranche derzeit über Auftragsflaute und stagnierende Projekte klagen, zeigt sich die Porr AG robust. CEO Karl-Heinz Strauss spricht im Interview über gute Zahlen, leistbaren Wohnbau und was die KI leisten kann – und was nicht.

Herr Strauss, die Bauwirtschaft kämpft derzeit mit einem spürbaren Rückgang im Wohnbau. Die Porr meldet dagegen erstaunlich gute Zahlen. Wie erklären Sie sich das?
Ich muss da etwas klarstellen: Wir haben keine Baukrise, sondern eine Wohnbaukrise. Das ist ein wichtiger Unterschied. Im Tief- und Infrastrukturbau läuft vieles gut – in allen Märkten, in denen die Porr tätig ist. Unser Vorteil: Wir liefern fast alles aus einer Hand, bauen selbst und sind breit aufgestellt. Der Wohnbau macht bei uns nur rund sieben Prozent aus. Wir sind stark im Industrie- und Gewerbebau, übernehmen komplexe EPC-Projekte – also Engineering, Procurement und Construction aus einer Hand. Das unterscheidet uns von vielen Mitbewerbern.

Große Rolle

Welche Rolle spielen dabei die Märkte, in denen Sie aktiv sind?
Eine sehr große. Unsere Kernmärkte – Österreich, Deutschland, Schweiz, Polen, Tschechien, die Slowakei und Rumänien – sind stabil und investieren kontinuierlich in Infrastruktur. In vielen Fällen mit EU-Geldern, etwa aus den Kohäsions- oder Recovery-Fonds. Hier sehen wir in den kommenden Jahren weiterhin enormes Potenzial.

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Porr-Chef Karl-Heinz Strauss im Interview.Copyright: Bauzeitung
Porr-Chef Karl-Heinz Strauss im Interview.
Copyright: Bauzeitung

Auch Deutschland plant massive Infrastrukturinvestitionen. Was erwarten Sie sich davon?
Ich halte das für essenziell. In Deutschland sollen in den nächsten zwölf Jahren rund 500 Milliarden Euro investiert werden – das entspricht etwa zehn Prozent der jährlichen Bauleistung, die hier hinzukommen. Der Markt ist fragmentiert. Es gibt viele kleine Anbieter, aber nur wenige, die alles aus einer Hand anbieten können. Das spielt uns in die Karten. Allerdings wird es dauern, bis diese Mittel tatsächlich wirken – derzeit bremsen veraltete Ausschreibungsmethoden die Umsetzung.

Und in Österreich? Wie beurteilen Sie die Strategie der Regierung?
Ich finde, sie wird oft unterschätzt. Das Zwei-Jahres-Budget ist ein stabiler Schritt. Was fehlt, sind konsequente Maßnahmen zu Beginn der Periode. Ich rechne im zweiten Halbjahr 2025 mit Belastungspaketen. Aber generell ist Österreich im Vergleich gut aufgestellt – vor allem im Tiefbau und bei öffentlichen Auftraggebern wie ÖBB oder Asfinag.

Der Wohnbau liegt hingegen am Boden. Sie haben angekündigt, leistbaren Wohnraum für unter 2.000 Euro pro Quadratmeter schaffen zu wollen. Wie soll das gelingen?
Mit Elementbauweise. Wir kombinieren verschiedene Materialien und bauen mit vorgefertigten Teilen – effizient, kostengünstig und in hoher Qualität. In diesen Kosten sind keine Tiefgaragen und keine aufwändigen Außenanlagen enthalten, aber moderne, gut ausgestattete Gebäude mit bis zu sechs Geschossen. Im Sommer werden wir die ersten Projekte umsetzen – und zeigen, dass es geht.

Das Baugewerbe macht sich für eine Vereinfachung der Normen stark. Stichwort: „Bauen außerhalb der Norm“. Spielt das für Sie bei Ihrem 2.000-Euro-Konzept eine Rolle?
Nicht als Teil des Konzepts. Wir nutzen bestehende Normen und kombinieren bewährte Elemente. Was uns hilft, ist Standardisierung – aber ohne starres System. Wir nennen es Elementbau, nicht Systembau. Und wir haben neue Konzepte für Haustechnik und Energieversorgung entwickelt.

Wie steht es um die Nachhaltigkeit dieser Projekte?
Die ist uns wichtig – aber immer im vernünftigen Preis-Leistungs-Verhältnis. Unsere Lösungen entsprechen modernen Nachhaltigkeitsstandards, ohne das Budget zu sprengen. Nachhaltigkeit ist für uns kein Zusatz, sondern Teil der Geschäftsstrategie.

Wie steuern Sie das intern?
Über klare ESG-Strukturen – mit acht Handlungsfeldern, 18 Zielen und 55 Maßnahmen. Jede Maßnahme hat Verantwortliche, wir berichten nach internationalen Standards. ESG ist bei uns nicht ein eigener Bereich, sondern Teil jedes Bereichs – und in der Unternehmensführung verankert.

Holzbau wird oft als nachhaltige Lösung gehandelt. Wie sehen Sie dessen Rolle?
Holz hat viele Vorteile – es ist klimafreundlich und angenehm im Raumgefühl. Wir setzen auf Holz-Hybridbauweise, etwa beim Leopold Quartier und beim Brio in Wien oder beim Elisabethinen-Krankenhaus in Graz. Reiner Holzbau wird sich nicht flächendeckend durchsetzen, aber als Teil eines intelligenten Materialmixes wird er bleiben.

Sie setzen zudem stark auf Lean Construction. Was bringt das konkret?
Lean Construction heißt: präzise Planung, klare Abläufe, wenig Verschwendung. Jeder weiß, was wann zu tun ist. So bauen wir bis zu 25 Prozent schneller – mit weniger Stress und mehr Effizienz. Das funktioniert aber nur mit dem konsequenten Einsatz von BIM-Modellen – wir arbeiten längst standardmäßig in 3D, oft auch in 4D oder 5D.

Sie sprechen BIM und damit die Digitalisierung an. Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in Ihrem Unternehmen?
Wir nutzen KI bereits zur vorausschauenden Wartung, für Gerätemanagement oder Logistik. Die Basis ist ein strukturierter Datenpool – unser Data Lake. KI bedeutet nichts anderes, als aus gut strukturierten Daten kluge, entscheidungsrelevante Informationen zu erzeugen. Aber: KI ist an sich nichts Intelligentes. Vor allem nicht die heute genutzte generative KI. Ihre Leistung hängt vollständig von der Datenqualität ab. Garbage in – garbage out. Herausfordernd wird es beim nächsten Schritt: integrative KI, bei der KIs untereinander agieren. Das ist spannend – aber auch riskant. Wir setzen KI dort ein, wo es sinnvoll ist – etwa bei einem unserer Innovationsprojekte mit automatischen Kranlesern. Der Kran erkennt dabei, welches Bauteil er zu greifen hat – auf Basis digitaler Informationen. Aber wir achten darauf, nicht in Spielereien zu verfallen. Man kann da auch sehr viel Unsinn anstellen und Geld verschwenden. Wir glauben nicht an vollautonome Roboter am Bau – aber wir glauben daran, unsere Porrianer zur richtigen Zeit mit den richtigen Informationen zu versorgen. Dafür setzen wir Digitalisierung ein: standardisiert, harmonisiert, automatisiert.

Wo wir bei den Mitarbeiter*innen sind: Ein zentrales Problem bleibt der Fachkräftemangel. Wie gehen Sie damit um?
Automatisierung hilft, ersetzt aber keine Menschen. Deshalb investieren wir in Ausbildung – etwa mit der Porr-Akademie – und holen gezielt Fachkräfte aus dem Ausland. In Rumänien haben wir zum Beispiel erfolgreich indische Mitarbeitende integriert. In anderen Ländern ist das kulturell schwieriger. Aber auf lange Sicht wird es ohne außereuropäische Fachkräfte nicht gehen.

Zur Person:
Nach Abschluss der HTL für Tiefbau studierte Karl-Heinz Strauss an der Harvard University, an der Management Business School in St. Gallen und absolvierte ein MBA-Programm an der IMADEC University in Wien.  Seit 2010 ist Strauss CEO der Porr AG, einem der führenden Bauunternehmen in Europa mit Hauptsitz in Wien. Er hat das Unternehmen in den vergangenen Jahren zu einem modernen, technologiegetriebenen Konzern geformt – mit klarem Fokus auf Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Strauss gilt als profilierter Branchenkenner und tritt regelmäßig zu baupolitischen Themen in der Öffentlichkeit auf.