Bauverfahren

Bit statt Blatt am Bauamt

18.08.2025

Digitale Prozesse könnten ein wirksames Mittel gegen überlange und intransparente Bauverfahren sein. Sie werden allerdings erst in wenigen Städten eingesetzt. Die kleineren Gemeinden setzten bislang lieber noch auf den Papier-Akt. Die Zukunftsagentur Bau (ZAB) sucht Wegen, wie man das ändern könnte.

„Die Digitalisierung der Bauverfahren ist ein entscheidender Schritt, um die österreichische Bauwirtschaft fit für die Zukunft zu machen.“ Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, spricht ein Thema an, das den heimischen Baumeistern unter den Nägeln – oder wohl besser: unter der Maurerkelle – brennt: Der Wunsch nach mehr Tempo und Transparenz bei den teilweise überlangen Bauverfahren (die Bauzeitung berichtete in ihrer Ausgabe 9/2025).

Schnellere Bauprozesse

Einen wichtigen Beitrag zur Lösung des Problems soll die Digitalisierung der Bauprozesse liefern. „Digitale Bauprozesse bedeuten für alle mehr Tempo, Transparenz und Effizienz. Sie schaffen die Grundlage für eine zeitgemäße, serviceorientierte Verwaltung und ermöglichen eine erhebliche Erleichterung im oft komplexen Baualltag“, so Jägersberger. Das Problem: Die Umsetzung ist noch schleppend. Bislang werden digitale Bauverfahren nur in ein paar großen Städten eingesetzt. In den kleineren Gemeinden setzt man noch weitgehend auf den Papierakt.

Advertorial

Wenn es nach der Zukunftsagentur Bau (ZAB) geht, soll sich das zügig ändern. Die ZAB befasst sich intensiv mit der Thematik. Georg Hanstein, der bei der ZAB für das Thema verantwortlich ist, unterstreicht die Vorteile der Digitalisierung: In klassischen analogen Verfahren sei oftmals nicht nachvollziehbar, ob Unterlagen vollständig seien und warum sich ein Antrag verzögere. „Manchmal fehlt nur ein einzelnes Blatt Papier – und das erfährt man dann erst Wochen später“, so Hanstein. In kleineren Gemeinden, wo oft nur alle paar Wochen ein Sachverständiger die Unterlagen prüft, könne dies zu massiven Verzögerungen führen. Ein digitales System mit automatischer Vollständigkeitsprüfung könne solche Fehler sofort aufzeigen und damit einen Zeitgewinn von bis zu vier Monaten ermöglichen.

Neben der Transparenz nennt Hanstein die Möglichkeit, den Akt parallel zu bearbeiten, als weiteren großen Vorteil. Während bei herkömmlichen Verfahren die Akten von einer Stelle zur nächsten wandern, erlaubt die digitale Plattform einen gleichzeitigen Zugriff aller Fachbereiche – ob Wasserrecht, Brandschutz oder Kanalbau. Sobald ein Antrag eingereicht ist, erhalten alle zuständigen Stellen eine Benachrichtigung und können ihre Prüfungen unabhängig voneinander starten. „Damit reduziert sich die Gesamtdauer auf den längsten Einzelschritt – und nicht mehr auf die Summe aller Schritte“, erklärt Hanstein.

Auch die bessere Planbarkeit spricht für das digitale Verfahren. „Wir kennen das alle vom Onlinehandeln: Wenn ich etwas auf einer Plattform bestelle, werde ich laufend über den Status meiner Bestellung informiert“, so Hanstein. „Bauherr*innen und Unternehmen wissen im digitalen Verfahren genau, wo der Prozess steht, was zu tun ist, wann eine Genehmigung zu erwarten ist – und könnten entsprechend Material bestellen oder Personal einteilen.“ Das spare Ressourcen und ermögliche ein effizienteres Arbeiten.

Trotz dieser Vorteile wird das digitale Bauverfahren in Österreich bisher nur zögerlich genutzt. In großen Städten wie Wien und Graz ist die Umstellung weit fortgeschritten. Linz plant den vollständigen Umstieg für den kommenden Herbst. In kleineren Gemeinden hingegen bleibt die digitale Bearbeitung bislang die Ausnahme: In Kremsmünster und Pettenbach in Oberösterreich sowie in der Tiroler Region Melach werden derzeit Pilotprojekte durchgeführt.

Dabei wäre die technische Infrastruktur in vielen Gemeinden längst vorhanden: Mehr als 80 Prozent der Kommunen nutzen die Gemeindesoftware Gemdat. Diese bietet mit einem eigenen Modul die Möglichkeit zur komplett digitalen Bauabwicklung – inklusive Upload-Funktion, digitaler Signatur und automatischer Prüfroutinen. „Die Werkzeuge sind da“, sagt ZAB-Experte Hanstein. „Man müsste sie nur konsequent einsetzen.“

Woran scheitert es bislang? Hanstein ortet weniger technische oder finanzielle Hürden, sondern eher menschliche Hemmnisse. Viele Akteure bevorzugen weiterhin große Papierpläne im Format A0 oder A1, die sie auf dem Tisch ausbreiten können. Das digitale Arbeiten am Bildschirm empfinden sie als umständlich. In Südtirol wurde dieses Problem durch einheitliche Planformate bis maximal A3 gelöst – sie lassen sich auch am Monitor gut darstellen.  Hanstein: „In Österreich fehlt ein vergleichbarer Standard.“ Auch Vorbehalte gegenüber neuen Abläufen oder die Sorge, gewohnte Entscheidungskompetenzen zu verlieren, bremsen den digitalen Wandel. Um diesen Barrieren abzubauen, startet die ZAB im Herbst ein Forschungsprojekt, das gezielt diese menschlichen Hemmnisse analysieren und Lösungswege aufzeigen will.

Ein vielversprechendes Pilotprojekt läuft bereits unter dem Titel „Brise Vienna“. Ursprünglich an der TU Wien entwickelt, wird es nun von der Stadt Wien betrieben. Ziel ist es, Bauanträge nicht mehr nur als PDF-Dateien, sondern als vollständige 3D-BIM-Modelle einzureichen. Eine KI überprüft dabei automatisiert die Einhaltung baurechtlicher Vorgaben wie Gebäudehöhe, Brandschutz oder Fluchtwege. Innerhalb von rund 30 Minuten erhält der r Antragsteller eine Rückmeldung. Erst wenn das digitale Modell alle Kriterien erfüllt, geht es an menschliche Prüfer*innen weiter. So sollen Verfahren nicht nur beschleunigt, sondern auch fehlerfreier und einheitlicher ablaufen.

ZAB-Experte Hanstein auf einen wichtigen Aspekt hin: „Eine digitale Baueinreichung – also das bloße Hochladen von Dokumenten – ist noch kein digitales Verfahren.“ In vielen Gemeinden, so Hanstein weiter, würden die digital eingereichten Unterlagen nach wie vor ausgedruckt und analog weiterbearbeitet. „Nur wenn der gesamte Prozess – vom Eingang über die Prüfung bis zur Genehmigung – vollständig digital erfolgt, lassen sich alle Vorteile tatsächlich realisieren. Dafür braucht es nicht nur funktionierende Tools, sondern auch eine Kultur des digitalen Arbeitens.“ Hanstein ist dabei pragmatisch: „Es wäre schon viel gewonnen, wenn eine digitale Einreichung mit Vollständigkeitsprüfung österreichweit funktionieren würde. Vielleicht kommen die anderen Schritte dann schneller, weil allen die Vorteile bewusstwerden.“

Zuspruch erhält Hanstein auch von Bundesinnungsmeister Jägersberger: Man müsse „die bestehenden Herausforderungen, insbesondere bei Rechtsgrundlagen, Schnittstellen und der Akzeptanz in der Verwaltung, gemeinsam meistern“, so Jägersberger. „Nur mit standardisierten Plattformen, bundesweit anerkannten digitalen Signaturen und umfassender Schulung aller Beteiligten gelingt der Übergang in eine durchgängig digitale Bauwelt.“