Karriere mit Level
Ab diesem Herbst können interessierte Installations-Fachkräfte eine neuartige Ausbildung absolvieren. Sie liegt auf dem NQR-Level 5 – und damit auf einer Ebene zwischen dem Lehrabschluss und der Meisterprüfung. Das Gewerbe verspricht sich viel von dieser Neuerung.

„Diese neue Qualifikation schafft ganz neue Möglichkeiten. Genau das habe ich mir jahrelang für meinen Betrieb gewünscht.“ Manfred Denk, Obmann der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), zeigt sich mehr als erfreut über ein neues Instrument gegen den Fachkräftemangel, das seit Kurzem zur Verfügung steht: die Höhere Berufliche Bildung (HBB). Aus Sicht von Denk schließt sie eine große Lücke. „Sie bringt eine tiefgreifende Aufwertung der beruflichen Laufbahn, ein neues Selbstverständnis für Fachkräfte und mehr Kompetenz für die Betriebe.“
Lücke wird geschlossen
Die Lücke, von der der vormalige Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker spricht, befindet sich zwischen der Fachkraft mit abgeschlossener Lehre und dem Meister: Während die Fachkraft im Österreichischen Qualifikationsrahmen (NQR) auf Level 4 eingestuft wird, befindet sich der Meister auf Level 6. „Dazwischen gibt es für motivierte Fachkräfte, die mehr Verantwortung übernehmen wollen, bislang wenig. Der Weg zur Meisterprüfung ist oft lang und setzt viel Praxis voraus“, erklärt Denk. „Die neue HBB auf Level 5 schließt diese Lücke – und zwar praxisnah, gesetzlich verankert und mit hoher Relevanz für den Arbeitsmarkt.“
Denk, der einen Installationsbetrieb im niederösterreichischen Grafenegg betreibt, spricht aus Erfahrung. Als Installateur weiß er um die Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeitende für mittlere Führungsebenen zu finden: „Oft weiß man nicht, was jemand, der von außen kommt, wirklich kann.“
Die erste Qualifikation im Rahmen der HBB wurde bereits umgesetzt: Ab Herbst können interessierte Fachkräfte die Prüfung zur „Technischen Beratung für Energieeffizienz“ (HBQ) absolvieren. Sie ist vor allem für die Branche der Heizungs- und Gebäudetechniker*innen und der Rauchfangkehrer*innen interessant. Wer diese Ausbildung abschließt, könne künftig konkrete Energiesparmaßnahmen planen und Kund*innen umfassend und gewerkeübergreifend beraten – technisch, wirtschaftlich und rechtlich, so die WKÖ.
Die Ausbildung richtet sich an Personen mit einem facheinschlägigen Lehrabschluss oder einer berufsbildenden Schule sowie mehrjähriger Praxis. Auch Personen ohne formalen Abschluss, aber mit entsprechender beruflicher Erfahrung in der Gebäudetechnik, sind zugelassen. Die Prüfung umfasst eine Projektarbeit, ein Fachgespräch und eine mündliche Präsentation. Die Teilnahme an einem Vorbereitungskurs ist nicht verpflichtend, wird aber empfohlen. „Die Materie ist komplex – da zahlt sich der Kurs aus“, sagt Denk. Der Kurs umfasst 350 Lehreinheiten und soll gezielt auf die Prüfung vorbereiten.
Der erste Kurs wird aktuell bereits am WIFI in Graz angeboten. Weitere Standorte – etwa Wien, Salzburg, Tirol und Oberösterreich – bereiten sich auf den Start vor. Am 11. September findet ein erster Online-Infoabend statt, für den es bereits mehr als 30 Interessierte gibt. Denk: „Das Interesse ist groß.“
Doch die Kosten könnten ein Hemmschuh werden: Der Vorbereitungskurs beim WIFI kostet aktuell 5.350 Euro, die Prüfung zusätzlich 1.062 Euro. Für Denk ist das eine Ungleichbehandlung: „Universitäre Ausbildungen sind kostenlos – berufliche sollten gleichwertig wie universitäre Ausbildungen behandelt werden. Wir fordern, dass sich die öffentliche Hand – wie es im Regierungsprogramm vorgesehen ist – an den Kosten der Ausbildung beteiligt. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit.“
Das Potenzial ist jedenfalls enorm: In Österreich arbeiten allein bei den Installateurbetrieben 37.000 Menschen, in der Elektrotechnik rund doppelt so viele. „Wenn nur fünf Prozent sich für die HBB interessieren, spricht man bereits von rund 3.500 potenziellen Teilnehmer*innen. Das ist ein enormes Potenzial, das wir heben wollen“, betont Denk.
Für die Unternehmen bietet die HBB eine neue Chance, Mitarbeiter*innen gezielt weiterzubilden und zu halten. Der Nutzen ist laut Bundesinnungsmeister Denk eindeutig: „Wer den Abschluss hat, ist nicht nur fachlich top, sondern auch in der Lage, Verantwortung zu übernehmen. Für Betriebe ist das die Chance, ihre Teams gezielt zu stärken – mit Leuten, die mehr wollen, aber nicht gleich den Meister machen müssen.“
Die HBQ „Technische Beratung für Energieeffizienz“ bildet nur den Anfang. Weitere Qualifikationen im Rahmen der HBB sind in Planung – etwa eine Qualifikation zum technischen Projektleiter sowie Anlagenprüfung und Dokumentation für die Elektriker und Installateure oder ein Diplom zum Hochvolttechniker für die Elektriker. Auch in Bereichen wie Tourismus, Handel, Metalltechnik und Veranstaltungstechnik entstehen neue Bildungswege. „Insgesamt sind derzeit allein im Gewerbe und Handwerk sechs neue Ausbildungen in Vorbereitung, die voraussichtlich binnen eines Jahres starten werden“, so Denk.
Die Entwicklung der Qualifikationen erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Branchenvertretungen, Expert*innen und Sozialpartnern. Jede neue HBB-Qualifikation benötigt einen Bedarfsnachweis, um sicherzustellen, dass die Ausbildung auch wirklich dem Arbeitsmarkt dient. Das ist laut Denk ein entscheidender Qualitätsfaktor: „Damit ist garantiert, dass Absolvent*innen hervorragende Jobchancen haben. Wir bilden nicht ins Blaue aus.“
Die gesetzliche Grundlage für all das liefert das seit Mai 2024 gültige HBB-Gesetz. Es schafft die Möglichkeit, berufliche Abschlüsse auf gesetzlicher Basis zu entwickeln und im NQR zu verankern. Die neue Ausbildung „Höhere Berufsqualifikation (HBQ) Technische Beratung für Energieeffizienz“ ist dem NQR-Level 5 zugeordnet – also gleichgestellt mit einer Matura an HAK, HTL oder einer anderen Berufsbildenden Höheren Schule.
Doch damit der Funke überspringt, braucht es gezielte Kommunikation. Für Denk ist das Chefsache: „Wir kommunizieren über alle unsere Kanäle. Wir nutzen unsere Veranstaltungen, den Meister-Alumni-Club, die Landesinnungen, Fachzeitschriften, Pressekonferenzen und natürlich auch Social Media.“ Erfahrungsgemäß spielt auch das WIFI eine große Rolle. Denk: „Wenn die Ausbildung im WIFI-Katalog steht, findet sie rasch Aufmerksamkeit. Junge Leute, die mehr wollen, werden das finden.“
Die Botschaft sei klar: Wer in der Lehre startet, hat künftig eine klare Perspektive. „Viele Eltern wissen gar nicht, welche Karriereoptionen sich für ihre Kinder mit einer Lehre eröffnen. Die HBB zeigt: Die Lehre ist kein Ende, sondern ein Anfang“, meint Denk. Er zieht dabei Parallelen zur Entwicklung der Fachhochschulen: „Vor 30 Jahren starteten die ersten FHs mit 10 Studiengängen. Heute gibt es 76.000 Studierende und 270.000 Absolventinnen. Für die HBB sehe ich ein ähnliches Potenzial.“