Prozesse für die Plattten
Der Trend zur industriellen Vorfertigung im Holzbau betrifft alle beteiligten Gewerke. Doch Experten sehen noch einen Hemmschuh: Um das volle Potenzial der Vorfertigung ausschöpfen zu können, müssen die Prozesse konsequent angepasst werden.

„Der Holzbau funktioniert dann am besten, wenn der Anteil der Vorfertigung möglichst hoch ist“, meint Jens Koch, Holzbauexperte beim Baustoffhersteller Saint-Gobain in Österreich. In diesem Satz steckt das neue Selbstverständnis einer Branche, die sich gerade neu erfindet. Was einst auf Zimmereibetriebe und Einfamilienhäuser beschränkt war, ist heute ein industriell geprägter Prozess für großvolumigen Wohnbau – mit erheblichem Einfluss auf alle daran beteiligten Gewerke – auch den Trockenbau.
Industrielle Produktion
„Österreich hat sehr erfahrene Holzbau- und Fertighaushersteller“, so Koch weiter. „Alle Anbieter haben in den vergangenen Jahren nicht nur Innovationen bei Produkten und Systemen eingeführt, sondern auch in ihre eigene Produktion investiert.“ Die Folge: Die Holzbaubetriebe arbeiten mittlerweile mit industriellen Produktionsanlagen, Prozesse wurden vereinfacht, fehlende Fachkräfte durch neue Technologien ersetzt.
Der zunehmende Vorfertigungsgrad im Holzbau verändert nicht nur die Bauweise selbst, sondern führt auch zu einer Umstellung in der Planung, Koordination und Ausschreibung von Bauleistungen. „Was auf der Baustelle einst mühsam Schicht für Schicht verbaut wurde, wird heute in modernen Produktionshallen vormontiert. Für den Trockenbau bedeutet das einen Wandel vom klassischen Innenausbau hin zu einem integralen Bestandteil der Wand- und Deckenelemente“, erläutert Koch.
In Österreich ist der Anteil an Neubauten in Holzbauweise in den letzten Jahren deutlich gestiegen – besonders im mehrgeschossigen Wohnbau. Die industrielle Vorfertigung ermöglicht es, dass ganze Module inklusive Dämmung, Beplankung und Installationen innerhalb weniger Tage auf der Baustelle montiert werden können – und das praktisch ohne Abfall oder Nacharbeiten.
Das hat auch Auswirkungen auf den Trockenbau. „Gerade im Trockenbau zeigt sich, wie eng die Gewerke inzwischen verflochten sind“, so Saint-Gobain-Experte Koch. Statt einseitig beplankte Ständerwerke vor Ort zu errichten, werden heute komplette Wand- und Deckenelemente mit integrierter Trockenbauverkleidung im Werk produziert. Schallschutz, Brandschutz und Wärmeschutz sind damit keine separaten Themen mehr, sondern Teil eines ganzheitlichen Systems. Koch: „Die klassischen Schnittstellen zwischen Holzbau, Dämmung und Trockenbau verschwimmen – zugunsten von mehr Effizienz und Zeitgewinn.“
Bei Saint-Gobain hat man auf diese Entwicklung reagiert. Ein gutes Beispiel dafür ist die Riduro Holzbauplatte der Marke Rigips. Sie wurde speziell für die Anforderungen im mehrgeschossigen Holzbau entwickelt und erfüllt mit einer 15 Millimeter dicken Lage im System mit Isover Ultimate Mineralwolle einen Feuerwiderstand von 90 Minuten. Damit können schlanke Wandaufbauten realisiert werden, die sowohl die Brandschutzvorgaben erfüllen als auch statische Anforderungen übernehmen – etwa als aussteifende Wände. Die Platte wird imprägniert ausgeliefert und ist auch für bekleidete Außenwände und Feuchträume geeignet – überall dort, wo kein direkter Wassereintrag zu erwarten ist.
Damit die Vorteile der industriellen Vorfertigung im Holzbau zur Gänze genutzt werden können, müssen aus Sicht von Saint Gobain-Experte Koch die Prozesse angepasst werden. Er kritisiert, dass trotz der technischen Fortschritte die Planung in der Praxis häufig noch „nach dem alten Muster“ abläuft. Das beginne bereits bei der Einreichplanung. Oft werde nur eine grobe Gebäudehülle entworfen, ohne genaue Angaben zu Dämmstärken, Brandschutzkonzepten oder Installationsführungen. Erst nach der Vergabe an einen Generalunternehmer beginne die Detailplanung – ein Vorgehen, das im Holzbau kaum praktikabel sei. „Im herkömmlichen Bauprozess beginnt die Detailplanung erst, wenn tatsächlich gebaut wird. Das ist zu spät für den Holzbau“, warnt Koch.
Denn wo in der Massivbauweise viele Entscheidungen noch während der Bauphase getroffen werden können, muss beim vorgefertigten Holzbau bereits in der frühen Planungsphase alles feststehen: von der Statik über die Installationen bis hin zur konkreten Produktauswahl. „Wenn ein Gebäude im Holzbau eingereicht wird, entspricht das im Grunde bereits einer Ausführungsplanung – während es im Massivbau nur eine Grobplanung ist“, meint Koch.
Dieser Umstand fordert aus seiner Sicht ein „radikales Umdenken“ bei Planerinnen, Architektinnen und Auftraggeberinnen: Die frühzeitige Festlegung von Bauteilaufbauten, Leitungsführungen und Materialkombinationen sei entscheidend, um die Vorteile der Vorfertigung überhaupt nutzen zu können. „Wer im Holzbau erst auf der Baustelle beginnt zu überlegen, hat den Effizienzgewinn bereits verspielt“, meint er.
Die Lösung liegt nach Meinung von Experten in einer stärkeren Integration der Planung, Vorfertigung und Ausführung – idealerweise in einer Hand. Unternehmen, die in der Lage sind, ganze Bauteile oder Module inklusive aller technischen Anforderungen zu liefern, können nicht nur schneller bauen, sondern auch Kosten und Qualität besser kontrollieren. Das erfordert allerdings auch neue Ausschreibungsformen. Statt wie bisher Trockenbau, Dämmung und Holzbau als Einzelgewerke auszuschreiben, braucht es funktionale Ausschreibungen: Ein Wand- oder Deckenelement mit definierten Anforderungen an Brand-, Schall- und Wärmeschutz – egal, wie der Anbieter diese erfüllt.
„In der Praxis sehen wir noch häufig Missverständnisse. Zum Beispiel, wenn Holzbau, Trockenbau und Haustechnik als einzelne Lose ausgeschrieben werden – obwohl sie eigentlich zusammengehören“, so Koch. „Dabei wäre es wesentlich effizienter, wenn Detailplanung, Vorfertigung und Ausführung aus einer Hand kämen – so wie es einige Bauunternehmen mit Holzbaukompetenz bereits machen.“
Doch der Weg dahin ist noch lang. In vielen Bereichen fehlen noch die rechtlichen Grundlagen, um funktionale Ausschreibungen rechtssicher durchführen zu können. Auch öffentliche Auftraggeber wie Städte oder Gemeinden arbeiten vielfach noch nach klassischen Ausschreibungsmustern, die eine gewerkeweise Vergabe vorschreiben. Koch: „Ich appelliere an Behörden und Politik, endlich die Regelungen den Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts anzupassen.“