Bau in der Strukturkrise
Eine aktuelle Studie des Unternehmensberaters PWC zur deutschen Bauwirtschaft kommt zu einem brisanten Ergebnis: Die Branche steckt strukturell in der Krise. 60 Prozent der Betriebe rechnen damit, dass sie in den nächsten Jahren ihr Geschäft neu ausrichten müssen.

„Die Bauindustrie steckt in einer tiefen Krise: Das hohe Niveau der Baupreise, sinkende Wohnbaugenehmigungen, weltpolitische Unsicherheiten, das gestiegene Zinsniveau und die Klimakrise belasten die Geschäftsaktivitäten. Fast jedes zweite Unternehmen gibt in diesem Jahr an, stark oder sehr stark von den aktuellen Rahmenbedingungen betroffen zu sein.“ Der internationale Unternehmensberater PWC spricht in seiner aktuellen Studie über die deutsche Bauwirtschaft Klartext.
Umsatzeinbruch und verschobene Projekte
Die Analyse, die auf einer Befragung von 70 Bauunternehmen und 30 Planungsbüros basiert, enthält eine Reihe von brisanten Aussagen, die auch für die österreichische Baubranche hochinteressant sind. 69 Prozent der Betriebe kämpfen mit „Umsatzeinbruch und der Verschiebung von Projekten“. Dieser Wert lag damit über dem des Jahres 2023. Damals waren es 63 Prozent. 2021 – als es dem Bau noch blendend ging – hatten nur 24 Prozent von dieser Problematik berichtet.
Die Verunsicherung in der Branche ist derzeit so groß – die Investmentbanker unter den Leserinnen und Lesern müssen jetzt ganz stark sein – dass den Betrieben der Appetit auf Übernahmen vergangen ist. „Dass sich die Situation in der Baubranche nach dem Ende des Bau-Booms und der Niedrigzinsphase stark verändert hat, lässt sich auch an den M&A-Plänen der Firmen ablesen“, meinen die Studienautoren. „Das Interesse an Fusionen und Übernahmen schwindet. Zu groß sind die Unwägbarkeiten der aktuellen Entwicklungen.“
Befragt nach den größten Herausforderungen, geben 85 Prozent der Unternehmen den „zunehmenden Kostendruck“ an. Trotz Flaute am Bau auf Platz zwei liegt der Fachkräftemangel, der von 81 Prozent genannt wird – gleichauf mit dem Wegfall oder der Verschiebung von Projekten. Hinter diesem Trio folgen mit einigem Abstand die übrigen Sorgenkinder wie die Volatilität von Preisen mit 66 Prozent, die Zinssituation mit 58 Prozent oder der Ausfall von Personal mit 49 Prozent.
Die Mehrheit der Befragten ist zudem davon überzeugt, dass es sich bei der aktuellen Krise nicht um eine vorübergehende Konjunkturdelle handelt, sondern um eine strukturelle Krise, die tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen und erfordern wird. So rechnen 60 Prozent der befragten Betriebe damit, dass sie in den nächsten Jahren ihr Geschäft neu ausrichten müssen. „Der Druck ist so hoch, dass rund die Hälfte Umstrukturierungen in ihrer Organisation angehen. Planer rechnen häufiger als Bauunternehmen damit, dass sie sich aus bestimmten Märkten zurückziehen werden“, so die PWC-Studie.
Bei diesen Umstrukturierungen könnte die Digitalisierung ganz wesentlich helfen. Mit digitalen Technologien bieten ein großes Potenzial, „Kosten zu senken und Prozesse zu beschleunigen“, meinen die Studienautoren und die befragten Unternehmen der Digitalisierung. Das Dumme ist nur: Es klafft laut Selbsteinschätzung der Betriebe eine gewaltige Lücke zwischen besagtem Potenzial und den im Unternehmen vorhandenen Fähigkeiten. „Bei der Digitalisierung besteht enormer Nachholbedarf“, urteilt die PWC-Studie. „Dabei lässt sich beobachten, dass die Schere zwischen Potenzialen und Fähigkeiten umso größer ist, je neuer die jeweilige Technologie im Markt ist.“
Die Detailergebnisse zu dieser Fragestellung verdeutlichen das Dilemma: So bescheinigen 82 Prozent der Befragten dem Thema Simulation und Visualisierung ein hohes Potenzial. Aber nur 32 Prozent glauben, dass die eigenen Fähigkeiten ähnlich hoch sind. Bei der Cloud-Technologie beträgt das Verhältnis 81 zu 31, beim Laserscanning 70 zu 31 und bei Echtzeit-Reporting 68 zu 21. Besonders groß ist die Kluft bei KI-basierten Technologien: 66 zu 9 lautet hier das durchaus deprimierende Ergebnis. „Besorgniserregend ist, dass das Delta zwischen Potenzial und eigenem Können bei einigen digitalen Technologien sogar gewachsen ist, etwa bei der Simulation und Visualisierung, Cloud-Technologien und IoT-Lösungen“, ergänzen die Studienautoren und weisen auf einen weiteren Aspekt hin: „Bemerkenswert ist zudem, dass die Befragten in Künstlicher Intelligenz größere Chancen sehen als in BIM.“
Diese Befunde nehmen die PWC-Berater zum Anlass für eine harsche Kritik an der Bauwirtschaft. „Dies ist ein klarer Hinweis, dass die Bauindustrie bei der Digitalisierung weit hinter den Potenzialen zurückbleibt. Die Branche agiert zu träge.“ Das trockene Urteil: „Für die nötigen Investitionen in digitale Lösungen fehlen das Geld, Mut und Expertise.“ Damit würden Entwicklungschancen blockiert und eine Steigerung der Produktivität verhindert, so die Consultants weiter.
Wenig Aufmunterndes berichten Sie auch zum Thema BIM. „Die BIM-Technologie gilt als Heilsbringer für eine bessere Zusammenarbeit in der Branche. In den vergangenen Jahren hat diese Technologie jedoch weder eine Steigerung in ihrem Mehrwert erfahren, noch konnten die Unternehmen ihre Kompetenzen ausbauen.“ Die Gründe für diese Stagnation orten die Studienautoren im „komplexen Vertragswesen“ und in „firmenübergreifenden IT-Schnittstellen“ – oder besser gesagt: dem nicht Vorhandensein derselbigen.
Bei der Suche nach den Ursachen für das digitale Desaster zeigen sich die Unternehmen selbstkritisch: 82 Prozent nennen mangelndes fachliches Know-how und Fachkräftemangel als größte Herausforderung beim Einsatz digitaler Lösungen. 80 Prozent nennen analoge Genehmigungsverfahren als Hürde. Etwas Mut könnte ein weiterer Befund machen: Bei 56 Prozent der Betriebe hemmt die fehlende interne Akzeptanz den digitalen Fortschritt. Das Tröstliche an dieser Zahl: 2022 waren es noch 71 Prozent.