Viel Privat für den Staat
In der Seestadt Aspern in Wien entsteht das neue Zentralberufsschulgebäude mit einer Nutzfläche von 29.000 m². Außergewöhnlich ist auch die Finanzierungsform für das Vorhaben: Es handelt sich um das größte Hochbauprojekt, das jemals in Österreich mit einem Public Private Partnership-Modell (PPP) umgesetzt worden ist.

Das Gebäude bricht Rekorde: Es soll 7.500 Schülerinnen und Schülern und 350 Beschäftigten Platz auf einer imposanten Nutzfläche von 29.000 m² Platz bieten. Es besteht aus dem 26 Meter hohen Hauptgebäude mit fünf Obergeschossen und dem zweigeschossigen Werkstattgebäude. Beide sind oberirdisch mit einer Glasbrücke und unterirdisch mit einem Kollektorgang verbunden. Und es ist baulich ziemlich komplex. Das sind allerdings nicht die einzigen Gründe, warum sich das Zentralberufsschulgebäude, das derzeit im Auftrag der Stadt Wien in der Seestadt Aspern errichtet wird, einen Eintrag in die Rekordbücher verdient. Es gibt noch einen: Es ist das größte Hochbauprojekt, das jemals in Österreich mit einem Public Private Partnership-Modell (PPP) umgesetzt worden ist.
Private Partner
Bei einem PPP handelt es sich um ein alternatives Finanzierungsmodell, das international zum Bau von öffentlichen Infrastrukturvorhaben häufig eingesetzt wird. Auch in Österreich kommt es zunehmend zum Einsatz. Wie der Name schon andeutet, ist ein PPP eine Kooperation zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und einem privaten Unternehmen zur Errichtung eines Bauwerks wie beispielsweise einer Schule, einem Krankenhaus oder einer Straße. Der öffentliche Auftraggeber legt als Bauherr die Anforderungen fest. Der private Partner übernimmt Planung, Finanzierung, Bau sowie den Betrieb des Objekts und stellt es anschließend zur Verfügung. Dafür kann er entweder eine Gebühr von den Nutzern einheben – wie es zum Beispiel bei Mautstraßen der Fall ist. Oder er erhält vom Bauherrn über die Vertragslaufzeit hinweg eine laufende Nutzungsgebühr. Experten sprechen hier auch von Verfügbarkeits- oder Lebenszyklusmodellen.
Das Zentralberufsschulgebäude in der Seestadt Aspern wird in Form eines Lebenszyklusmodells realisiert. Bauherrin ist die Stadt Wien, Auftragnehmer die Arge Errichtung ZBG Seestadt Aspern, die aus dem Porr-Konzern und dem Facility-Management-Spezialisten Apleona besteht. Die Investitionssumme liegt bei 200 Millionen Euro. Der Schulbetrieb soll im September 2028 aufgenommen werden. Die Vertragslaufzeit beträgt 25 Jahre. „Es ist gelungen, ein Lebenszyklus-Modell zu etablieren, bei dem die Bauherrin die volle Kontrolle über die Immobilie erhält, während diese durch Dritte finanziert, mit Kostensicherheit errichtet und über 25 Jahre betrieben wird“, meint Porr-CEO Karl-Heinz Strauss.
Er verweist auf den wesentlichen Vorteil, den PPP-Modelle der öffentlichen Hand bieten: „Grundsätzlich sind PPPs ein hervorragendes Instrument, um Budgets zu entlasten und trotzdem qualitativ hochwertige Infrastruktur effizient zur Verfügung zu stellen“, so Strauss. Bei PPP-Modellen nimmt der private Partner – und nicht die öffentliche Hand – eine Projektfinanzierung auf. Die Rückzahlung der Finanzierung erfolgt ab Übergabe an die öffentliche Hand bis zum Ende der PPP-Vertragslaufzeit.
„Für die öffentliche Hand ist das Modell budgetschonend, da ihr die Gesamtinvestitionskosten über die Laufzeit des Vertrages kreditiert werden. Die Finanzierung wird auch nicht in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung dargestellt“, erläutert der Porr-Chef weiter. Sollte der vertraglich festgelegte Soll-Zustand des Gebäudes nicht eingehalten werden, ist die öffentliche Hand zu Vergütungsabzügen berechtigt. Strauss: „Daher besteht für die privaten Partner ein Anreiz, das Projekt immer im vereinbarten Zustand zu erhalten.“ Zudem profitieren aus Sicht von Experten beide Seiten davon, dass private Partner in der Abwicklung von großen Investitionsprojekten flexibler, innovativer, schneller und effizienter sind als die öffentliche Hand.
Und auch das Risiko ist für die privaten Partner berechenbar: „Die Projekte bieten eine sehr hohe Sicherheit für uns als privaten Partner, da sie bereits in der Vergabe eine sehr breite Due Diligence durch uns und die finanzierenden Banken durchlaufen“, sagt Porr-Chef Strauss. „Es liegt daher auch schon eine sehr fortgeschrittene Planung vor, wodurch das Risiko von Planungsfehlern minimiert ist. Sobald das Closing erfolgt ist, sind die Cashflows für alle Beteiligten gesichert.“
Die Porr hat bereits eine gewisse Erfahrung mit der alternativen Finanzierungsform. In Österreich hat sie zwei Bildungsgebäude und ein Geriatriezentrum umgesetzt, international drei Autobahnprojekte sowie eine Kläranlage. Viele europäische Länder setzen bereits intensiv auf PPP-Modelle. Dazu gehören Deutschland, Großbritannien, Spanien, Irland, Frankreich, Italien und Belgien. „Auch der Markt in Tschechien nimmt derzeit mit den geplanten Autobahn- und Hochgeschwindigkeitseisenbahn-PPPs Fahrt auf. Im Baltikum sind zahlreiche PPPs mit Unterstützung der Europäischen Investitionsbank in der Pipeline“, gibt Porr-CEO Strauss einen Einblick in den Markt. „PPPs sind gut geeignet, die übergeordneten Ziele der Europäischen Union – Grüne Infrastruktur, Anpassung an den Klimawandel, Ausbau digitaler Infrastruktur, Modernisierung und Ausbau von Verkehrsinfrastruktur, Sicherung der europäischen Souveränität (Stichwort kritische Infrastruktur) – zu erreichen.“
In Österreich hält sich die öffentliche Hand dagegen noch etwas zurück: In der jüngeren Vergangenheit sind PPP-Projekte laut Strauss „fast ausschließlich von der Stadt Wien ausgelobt worden. Wir würden es begrüßen, dort, wo es sinnvoll ist, mehr dieser Projekte zu sehen.“ Wichtig ist dabei aus seiner Sicht vor allem eines: „Die korrekte Darstellung in der öffentlichen Wahrnehmung, denn PPPs sind keine ‚Privatisierungen der öffentlichen Infrastruktur‘, sondern eine Möglichkeit für die öffentliche Hand, die Infrastruktur schlüsselfertig inklusive Finanzierung und Betrieb zu erhalten.“