„Ich war ein großer Fan des Green Deals“
Der Unternehmer Robert Schmid – unter anderem Eigentümer von Austrotherm, Baumit und Wopfinger Transportbeton – findet im Interview mit der Bauzeitung „Klare Worte“. Er spricht über seine abgekühlte Begeisterung für den Green Deal, was ihm an Spezialisten nicht gefällt und warum er Generalisten mag.
Warum Robert Schmid vom Green Deal begeistert war …
Ich war ursprünglich ein großer Fan des Green Deals. Ich hatte ihn so verstanden, dass man das Klima und die Umwelt mit Innovationen rettet und das nutzt, um Wohlstand zu schaffen. Ich habe den politischen Willen gesehen, das zu verbinden: Machen wir ein Geschäft aus dem Umweltschutz.
Leider nichts geworden
… und warum er es nicht mehr ist:
Daraus ist nur leider nichts geworden – bislang jedenfalls. Wir sind in Europa bei den Regularien stecken geblieben. Innovation und Produktion überlassen wir anderen. Es ist ja cool, Windräder und PV-Anlagen zu errichten und Häuser zu dämmen. Nur sollte man die Technologie und das Material auch selbst herstellen. Sonst kann man keine Innovationen vorantreiben, Arbeitsplätze schaffen und Geld verdienen.

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Womit die Bauwirtschaft sich beschäftigt – und womit sie sich beschäftigen sollte:
Der Bauwirtschaft wird vorgeworfen, altmodisch zu sein und zu wenig zu tun, um die Effizienz zu steigern. Aber wo kommt das her? Wir beschäftigen uns immer mehr mit Randthemen. Wir haben immer mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die fleißig arbeiten und sich mit allem Möglichen befassen – nur bedauerlicherweise nicht damit, wie wir den Betrieb und das Geschäft weiterbringen. Wir haben Beauftragte für Sicherheit, Nachhaltigkeit oder Datenschutz und haben immer mehr Aufwand, um die laufend steigende Zahl von Regeln und Vorschriften zu erfüllen. Uns geht es ähnlich, wie dem Arzt im Krankenhaus, der einen Großteil seiner Zeit damit verbringt, Berichte zu schreiben, anstatt sich um die Patienten zu kümmern.
Warum ihn ein Besuch aus den USA zu denken gibt:
Wir hatten vor einigen Tagen eine Gruppe von Post-Graduate-Studenten aus den USA bei uns im Haus, die sich mit Sustainability befassen. Eine junge Dame aus dieser Gruppe hat mir stolz erzählt, dass sie bei einem großen IT-Konzern arbeitet, der ganz großartige Tools für das Berichtswesen entwickelt. Ich habe sie gefragt, ob sie diese Tools auch in den USA vermarkten. Ihre Antwort: Nein, die verkaufen wir nur in Europa.
Was was vor 70 Jahre noch möglich war und was heute nicht mehr möglich ist:
Wir haben in Europa im Laufe der Zeit das Leben zu kompliziert gemacht. Mein Großvater hat nach dem Krieg eine völlig neuartige Technologie für einen energiesparenden Kalkofen entwickelt und 1955 patentieren lassen. Mit ihr werden heute noch weltweit die Kalköfen gebaut. Das wäre heute nicht mehr möglich. Dazu wären nun tausende von Gutachten notwendig.
Wie man Bürokratie abbaut:
Alle reden vom Bürokratieabbau. Aber dazu ist es notwendig, die Zahl der Regularien zu reduzieren. Das Gegenteil ist der Fall. Sie werden immer mehr. Ich glaube, dass eine große Explosion notwendig ist, damit wirklich gehandelt wird. Wir benötigen einen völligen Reset. Ich vergleiche das gerne mit einem Schreibtisch: Mir fällt es auch ziemlich schwer, meinen Schreibtisch aufzuräumen. Irgendwann hilft dann nur mehr eines: Alles vom Schreibtisch wischen und die wirklichen wichtigen Dinge wieder daraufstellen. So bleibt der dann für eine Weile aufgeräumt.
Was ihn an Spezialisten stört:
Wir haben immer mehr Spezialisten in den Unternehmen. Ich halte das für eine Katastrophe. Denn jeder Spezialist hat den Blick nur auf seinen eigenen Bereich. Der Datenschützer kämpft für den Datenschutz, der Sicherheitsexperte für die Sicherheit und so weiter. Aber wer schaut auf das gesamte Unternehmen? Ich bin davon überzeugt, dass wir wieder mehr Generalisten brauchen. Wir brauchen eine humanistische Sichtweise, um einen breiteren Blick zu bekommen und die Themen zu gewichten.
Über Generalisten und Nachhaltigkeit:
Die Nachhaltigkeit ist ein gutes Beispiel für den breiteren Blick: Nachhaltigkeit hat drei Elemente: das Soziale, das Ökologische und das Ökonomische. Sie müssen in einer Balance zueinanderstehen. Dabei kann sich das Verhältnis immer wieder etwas verschieben. Mal steht das Soziale im Vordergrund, mal das Ökonomische, mal das Ökologische. Um diese Balance zu managen, brauche ich Generalisten, die das große Ganze sehen können und keine Fachexperten.