Fokus Fassade

„Kein Trend, sondern ein Muss“

18.06.2025

Die Hersteller im Bereich Fassade und Dämmen fordern ein klares Bekenntnis der Politik zur thermischen Sanierung – und ein Ende der erratischen Förderpolitik. Ihr größter Wunsch: mehr Planungssicherheit.

Auf die Frage nach einem Wunsch an die Regierung hat Walter Wiedenbauer eine eindeutige Antwort: „Dass die Inhalte zur Sanierung und Dekarbonisierung endlich konsequent umgesetzt werden.“ Die Betonung dürfte auf „endlich“ liegen. „Die Unternehmen sind bereit, die Technologien stehen zur Verfügung – jetzt braucht es Klarheit, Planungssicherheit und den politischen Willen, das Ganze auch wirklich durchzuziehen“, meint der Österreich-Geschäftsführer des Wärmedämmspezialisten Sto weiter.

Klarheit und Planungssicherheit

Die Bitte um Klarheit und Planungssicherheit wird von den Herstellern, die im Bereich Fassade und Dämmung tätig sind, mit immer mehr Nachdruck formuliert. Die Branche stößt sich massiv an dem Hin und Her der Politik in Bezug auf die grüne Transformation der Bauwirtschaft – allen voran an der „völlig erratischen Förderpolitik“, wie es ein Branchenvertreter formuliert. „Was wir brauchen, ist Planungssicherheit“, meint Christian Höberl, Geschäftsleiter des Vorarlberger Baustoffhersteller Röfix. „Förderprogramme müssen langfristig angelegt, transparent und unbürokratisch zugänglich sein. Häufige Änderungen oder kurzfristige Stopps – wie zuletzt bei einigen Förderinstrumenten – verunsichern Bauherren und Investoren und bremsen Sanierungsvorhaben.“

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Besonders am Herzen liegt der Branche naturgemäß die thermische Sanierung. „Eine Wärmepumpe allein macht noch keine Energiewende. Wer sein schlecht oder gar nicht gedämmtes Haus nicht zuerst thermisch saniert, wird selbst mit modernster Heiztechnik keinen echten Fortschritt erzielen“, meint Heimo Pascher, Geschäftsführer der Austrotherm Gruppe. Pascher weiter: „Ohne umfassende thermische Sanierung pumpen wir die Wärme gleich wieder durch Wände und Fenster nach draußen.“

Zahlen der NGO Global 2000 geben ihm recht: Laut Global 2000 gibt es in Österreich rund 1,5 Millionen Gebäude mit einer schlechten Energiebilanz – ein enormes Einsparpotenzial, das angesichts der niedrigen Sanierungsquote von rund einem Prozent pro Jahr bislang eher sparsam genutzt wird.  „Eine energetische Sanierung der Gebäudehülle ist der Schlüssel zur Reduktion von Heiz- und Kühlbedarf. Denn Wärme, die nicht verloren geht, muss erst gar nicht erzeugt werden – das spart Energie, CO₂ und Geld“, sagt Pascher.

Wie groß der Effekt ist, zeigt eine im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace durchgeführte Studie des deutschen Wuppertal-Instituts. Sie vergleicht den Heizstrombedarf eines Wohngebiets mit 19.000 Haushalten. Das Ergebnis: Sind die Gebäude gut gedämmt, reicht ein Windrad. Ohne Dämmung braucht es 14.  Am Beispiel eines ungedämmten Einfamilienhauses mit 100 m² Wohnfläche wird das noch deutlicher. Das Haus verbraucht laut Wuppertalstudie rund 5.600 Kilowattstunden Heizstrom pro Jahr – selbst mit einer Wärmepumpe. Wird dasselbe Gebäude auf Passivhaus-Niveau saniert, sinkt der Verbrauch auf gerade einmal 400 Kilowattstunde – ohne irgendeinen Komfortverlust, aber mit enormem energetischem Effekt. Dazu Austrotherm-Manager Pascher: „Die Gebäudedämmung ist der zentrale Hebel in der Energiewende.“

Pascher fordert eine durchdachte Sanierungsstrategie von der Politik: „Fördermaßnahmen für Sanierungen müssen die richtige Investitionsreihenfolge berücksichtigen. Eine gut gedämmte Gebäudehülle reduziert den Energiebedarf nachhaltig, sodass moderne Heizsysteme und Photovoltaikanlagen noch effektiver genutzt werden können.“  Das bringe nicht nur Eigentümer*innen und Mieter*innen wirtschaftliche Vorteile, sondern stärke auch die regionale Wertschöpfung – eine Win-Win-Situation für Klimaschutz und Wirtschaft. Pascher weiter: „Ein gesamtheitlicher Ansatz, bei dem zuerst die Effizienz durch Sanierung der Gebäudehülle verbessert und anschließend eine optimierte Heiz- und Energietechnologie integriert wird, wäre daher der richtige Weg in die Zukunft.“

Unterstützung erhält der Austrotherm-Manager hier von Rudolf Bergsleithner, Vertriebsleiter Weber Terranova bei Saint-Gobain Austria. „Um die Klimaziele erfolgreich zu verwirklichen, ist eine umfassende thermische Sanierung des Gebäudebestands von entscheidender Bedeutung“, meint auch Bergsleithner. Er ergänzt: „Leider liegt die aktuelle Sanierungsquote weiterhin bei rund einem Prozent, was nicht ausreicht, um diese ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Es wäre daher wichtig, die Förderpolitik dahingehend zu überarbeiten, dass Sanierungsmaßnahmen für Eigentümer: innen attraktiver gestaltet werden.“

Aus Sicht von Baumit-Geschäftsführer Georg Bursik ist die thermische Sanierung „kein Trend, sondern ein Muss“. Geld in thermische Sanierung zu investieren, bedeute „eine signifikante Reduktion des Heizwärmebedarfs zu erreichen, den Weg zur Klimaneutralität zu unterstützen und die heimische Wirtschaft in einer konjunkturell schwierigen Lage sinnvoll zu stabilisieren“. Bursik deutlich: „Das so investierte Geld für Anreize der thermischen Sanierung macht im Gegensatz zu CO₂-Strafzahlungen ‚nach Brüssel‘ also Sinn.“ Ein Dorn im Auge ist dem Baumit-Chef zudem die derzeit diskutierte Mietbegrenzung. „Es muss auch für Investoren möglich gemacht werden, Mieten anzupassen, wenn Häuser thermisch saniert werden.“ Der Vorteil „durch resultierenden geringeren Energieverbrauch überwiegt“, argumentiert er.

Die Unsicherheit darüber, wie es mit der thermischen Sanierung von Gebäuden weitergeht, trifft eine Branche, der es derzeit nicht gerade blendend geht. Das Geschäft mit Fassaden läuft durchwachsen. „Nach einem schwachen Jahr 2024 entwickelt sich das Geschäftsjahr – in allen Bereichen – auch im Jahr 2025 rückläufig“, meint Baumit-Geschäftsführer Bursik trocken. Zahlen des Marktforschungsinstituts Branchenradar bestätigen seine Aussage. Der Markt für Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) ging in Österreich 2024 laut Branchenradar erneut um 5,4 Prozent zurück. Besonders betroffen waren zertifizierte WDVS, deren Umsatz um 9,2 Prozent sank. „Wiewohl aus Gewährleistungsgründen der Vollwärmeschutz von Putzfassaden idealerweise mit zertifizierten Wärmedämmverbundsystemen ausgeführt werden sollte, erhöhte sich das zweite Jahr in Folge die Nachfrage nach nicht-zertifizierten Systemen signifikant, da letztere in der Regel deutlich preisgünstiger sind“, hält der Marktforscher fest.

Dazu dessen Geschäftsführer Andreas Kreutzer: „Zuletzt konnte man bei den Materialkosten im Schnitt rund 40 Prozent sparen. Infolgedessen wurden – entgegen dem Markttrend – mit nicht-zertifizierten WDVS um sieben Prozent mehr umgesetzt als im Jahr davor“. Insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern werden laut Kreutzer Fassadendämmungen oftmals mit nicht-zertifizierten Systemen ausgeführt. Er hält das für problematisch, da im Falle von Verarbeitungsmängeln der private Bauherr dann mitunter zwischen Baustoffhersteller und ausführendem Handwerksbetrieb „hin und her geschickt“ werde.  Kreutzer: „Es braucht daher eine gesetzliche Verpflichtung, dass grundsätzlich nur noch zertifizierte Wärmedämmverbundsysteme zum Einsatz kommen.“

Besser als die WDVS schlugen sich im vergangenen Jahr vorgehängte hinterlüftete Fassaden (VHF). Sie konnten laut Branchenradar sogar ein Umsatzplus von 6 Prozent erzielen. Vor allem die Nachfrage nach Metallfassaden stieg deutlich. “Beinahe 56 Prozent aller VHF wurden im Vorjahr mit Metallbekleidung ausgeführt”, sagt Studienautor Heinrich Thaler. “Das lag nicht alleine an der Produktkonfiguration, sondern auch am vergleichsweise günstigen Preis.“ Nach Thalers Auswertung lag der Materialpreis von Metallbekleidungen im Schnitt um 17 Prozent unter dem von HPL-Platten.

Dass sich die Situation im laufenden Geschäftsjahr bessert, wird von den Akteuren eher bezweifelt. Baumit-Chef Bursik rechnet heuer mit einem weiteren Rückgang von fünf bis 10 Prozent. Und nicht nur er ist skeptisch. „Im bisherigen Jahresverlauf gestaltet sich unser Fassadengeschäft als herausfordernd. Während einzelne Segmente eine stabile Entwicklung zeigen, ist die Marktdynamik derzeit eher verhalten. Das Projektvolumen bleibt hinter unseren Erwartungen zurück“, sagt Röfix-Geschäftsleiter Höberl. „Grundsätzlich besteht ein Interesse an thermischer Sanierung. Unsicherheiten bei Förderprogrammen sowie die erschwerten Finanzierungsbedingungen führen jedoch zu Verzögerungen oder gar zur Absage geplanter Projekte.“

Im Neubausektor – insbesondere bei größeren gewerblichen und öffentlichen Bauvorhaben – ist die Lage laut Höberl angespannt. „Viele Projekte werden verschoben oder nur zögerlich ausgeschrieben. Der Rückgang bei Baubewilligungen, steigende Material- und Lohnkosten sowie die allgemeine Zurückhaltung in der Bauwirtschaft wirken sich deutlich auf die Investitionsbereitschaft aus.“ Positiv sei das wachsende Interesse an nachhaltigen Fassadensystemen. Höberl: „In diesem Bereich verzeichnen wir punktuell eine steigende Nachfrage. Dennoch bleibt die Auftragslage insgesamt unter dem Niveau der Vorjahre, was uns dazu veranlasst, unsere Kapazitäten flexibel an die aktuelle Marktsituation anzupassen.“ Für das zweite Halbjahr hofft man bei Röfix auf eine Stabilisierung des Marktes. Höberl rechnet „jedoch weiterhin mit einem herausfordernden Umfeld“.

„Der Geschäftsbereich Fassade liegt im Großen und Ganzen im Markttrend“, lautet der Kommentar von Saint-Gobain-Manager Bergsleithner zum Geschäftsverlauf in diesem Segment. Sto-Geschäftsführer Wiedenbauer zeigt sich mit dem laufenden Jahr angesichts der Umstände zufrieden. „Das Fassadengeschäft bewegt sich stabil auf dem Niveau des Vorjahres – das ist in einem anspruchsvollen Umfeld wie dem aktuellen durchaus als positiv zu werten“, sagt er. „Der Renovierungsmarkt läuft gut. Schwieriger schaut es im Neubaubereich aus. Da ist die Entwicklung leider sehr negativ. Man spürt die Unsicherheit durch hohe Zinsen, Baukosten und die politische Debatte rund ums Bauen.“ Sein Ausblick auf das Gesamtjahr: „Wir gehen davon aus, dass wir das Vorjahresniveau halten können. Vielleicht gelingt sogar ein kleiner Zuwachs.“

Trotz der derzeit schwierigen wirtschaftlichen Situation halten die Hersteller an einem zentralen Pfeiler ihrer Strategie fest: Sie setzten weiter konsequent auf das Thema Nachhaltigkeit. „Die Fassade von morgen ist mehr als nur eine schützende Gebäudehülle. Sie wird zum Bestandteil einer nachhaltigen Bauweise. Wer heute in zirkuläre Materialien und CO₂-arme Produkte investiert, gestaltet die Bauwende aktiv mit“, sagt Röfix-Geschäftsleiter Höberl. Der Fassadenbau stehe „exemplarisch für die grüne Transformation der gesamten Bauwirtschaft. Unternehmen, die frühzeitig auf ökologische Innovationen setzen, sichern sich nicht nur Wettbewerbsvorteile, sondern leisten auch einen aktiven Beitrag zum Klimaschutz.“

„Generell ist Nachhaltigkeit für Baumit kein Trend, sondern Verpflichtung“, betont Baumit-Geschäftsführer Bursik. „Nachhaltigkeit heißt auch, hochwertig und extrem langlebig bauen, man kann Häuser auch länger als 100 Jahre nutzen. Gerade hier hat Baumit die richtigen, weil langlebige, Baustoffe.“ Er verweist darauf, dass das Familienunternehmen seit Generationen „gemäß den Prinzipien vorausschauend denken und verantwortungsvoll handeln“ agiere. Bursik: „Seit jeher setzt man auf langfristiges Wachstum und den achtsamen Umgang mit wertvollen Ressourcen.“

Für Sto-Geschäftsführer Wiedenbauer ist Nachhaltigkeit „ohne Frage das große Thema“. Bei Sto setze man stark auf nachhaltige Materialien und technische Innovationen. „Wir haben eine breite Palette an nachhaltigen Produkten und Systemen. Das Interesse ist definitiv da, aber der Markt ist preissensibel.“

Bei Saint-Gobain Austria ist man besonders stolz darauf, das Weber-Werk in Wien, in dem Putze, Farben und Spachtelmassen hergestellt werden, vollständig dekarbonisiert zu haben. Konkret: Die Produktion dort ist nach Scope 1 und Scope 2 CO₂-neutral – also inklusive der Emissionen aus der Nutzung von Energie, die extern eingekauft wird. Bei Saint-Gobain lässt man an der Bedeutung des Themas ebenfalls keinen Zweifel. Weber Terranova-Vertriebschef Bergsleithner: „Das Thema Nachhaltigkeit ist aus unserer Sicht der bestimmende Trend.“