Bauverfahren

Lange Leitung

18.06.2025

Die Bauverfahren dauern immer länger. Besonders gravierend ist das Problem in Wien. Verfahren von einem Jahr sind keine Seltenheit. Die Ziviltechniker*innen und das Baugewerbe fordern die Politik auf, zu handeln. Die gute Nachricht: Eine rasche Besserung ist bei gutem Willen durchaus möglich.

„Wir sind an einem Punkt angekommen, wo dringend etwas passieren muss.“ Der Punkt, den Bernhard Sommer, Präsident der Kammer der Ziviltechniker*innen für Wien, Niederösterreich und dem Burgenland (ZT-Kammer) anspricht, kostet der heimischen Bau- und Immobilienwirtschaft viel Zeit und Nerven – vor allem aber Geld. Die Rede ist von überlangen Bauverfahren, die vor allem in Wien mehr als nur ein Ärgernis darstellen. Sommer: „Überlange Bauverfahren verursachen volkswirtschaftliche Schäden und können Existenzen kosten.“

400 Wohnungen gehen verloren

Rund 400 Wohnungen gehen laut Kammer jährlich durch Verzögerungen verloren. Die Folge: Die Miet- und Immobilienpreise steigen und die Bauwirtschaft leidet unter gebundenem Kapital, fehlender Planungssicherheit und steigenden Finanzierungskosten. Unterstützung erhalten die Ziviltechniker*innen vom Bundesinnungsmeister des Baugewerbes, Robert Jägersberger. „Die Verzögerungen führen zu höheren Finanzierungskosten für Bauprojekte, verursachen volkswirtschaftliche Schäden und gefährden Existenzen“, meint Jägersberger. „Durch die langen Verfahren werden jährlich unter anderem zahlreiche Wohnbauprojekte nicht rechtzeitig realisiert. Dies verschärft den ohnehin angespannten Wohnungsmarkt und führt zu einem Mangel an verfügbarem Wohnraum. Zudem schaden sie auch dem Kampf gegen den Klimawandel.“

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Kammerpräsident Sommer präsentiert zu dem Thema die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter seinen Mitgliedern – und diese Zahlen haben es in sich: Demnach werden in Wien nur 29 Prozent aller Projekte innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen, obwohl dies laut Verwaltungsverfahrensgesetz die Regel sein sollte. Bei einem Drittel aller Projekte dauert die Genehmigung sogar länger als ein Jahr. Im Durchschnitt liegt die Verfahrensdauer bei elf Monaten. Und die Tendenz ist steigend: Bei einer Umfrage vor zwei Jahren ergab sich noch ein Durchschnittswert von 9,3 Monaten. In die gleiche Richtung geht die Entwicklung auch in den anderen beiden Bundesländern, für die die Kammer zuständig ist. Auch hier steigt die Verfahrensdauer. Immerhin: Sowohl in Niederösterreich mit durchschnittlich 6,3 Monaten als auch im Burgenland mit 5,1 Monaten bewegt man sich noch mehr oder weniger im vorgesehenen Rahmen.

Peter Bauer, Vizepräsident der ZT-Kammer, fordert verbindliche Ziele zur Reduktion der Genehmigungsdauern von Bauprojekten im Regierungsprogramm. Einen wesentlichen Grund für die langen Verfahren ortet er im immer komplexer werdenden Baubewilligungsprozess: „Die quantitativen und qualitativen Anforderungen an Gebäude und damit auch der Prüfaufwand steigen ständig. So führen zum Beispiel die Klimaziele der EU notwendigerweise zu zusätzlichen Auflagen, Richtlinien und Normen.“ Dies sieht Baugewerbe-Vertreter Jägersberger ähnlich. Er ergänzt: „Weiters ist der Genehmigungsprozess oft durch bürokratische Hürden und ineffiziente Abläufe gekennzeichnet. In diesem Zusammenhang kann man durchaus auch von einem vorherrschenden Gutachten-Unwesen sprechen. Zudem sind viele Bauämter personell unterbesetzt, dies ist nicht nur, aber besonders in städtischen Gebieten ein Problem.“

Jägersberger fordert daher eine „ausreichende personelle Ausstattung“ der Bauämter und eine „verbesserte Koordination zwischen den Behörden“ sowie eine Reihe weiterer Maßnahmen: „Die Komplexität der Verfahren muss reduziert werden, um die Bearbeitungszeiten zu verkürzen. Die Einführung der Möglichkeit einer digitalen Baueinreichung birgt großes Potenzial und könnte die Effizienz erheblich steigern. Dadurch könnten Anträge schneller bearbeitet und notwendige Dokumente einfacher eingereicht und geprüft werden“, meint der Bundesinnungsmeister. „Ein wichtiger und überfälliger Schritt wäre auch eine Vereinfachung der vielen bestehenden Bauvorschriften – ganz im Sinne des Regierungsprogramms, hier braucht es jetzt Tempo in der Umsetzung.“

Eine umfangreiche Liste an Reformvorschlägen hat auch die ZT-Kammer vorgelegt – darunter eine bessere Koordination zwischen den beteiligten Magistratsabteilungen, klare Prüfkriterien, einen digitalisierten und transparenten Verfahrensablauf sowie die Stärkung der verfahrensleitenden Behörden. Ein zentraler Reformvorschlag ist die Stärkung des Paragraf 70a der Wiener Bauordnung. Dieser sieht die Möglichkeit eines vereinfachten Prüfverfahrens vor, bei dem unabhängige Ziviltechniker*innen anstelle der Behörde ein Prüfverfahren durchführen.

Dieses Verfahren würde die Behörde entlasten, es wird aber bislang selten eingesetzt. Dies liegt an einem wichtigen Detail: Die Regelung sieht vor, dass der Bauwerber mit dem Bau beginnen muss, bevor die Einreichplanung rechtskräftig wird. Die Behörde und die Nachbarn haben aber drei Monate lang Zeit, die Genehmigung zu hinterfragen und ein ordentliches Verfahren einzuleiten. Passiert das, müssen die Bauarbeiten für die Dauer des Verfahrens gestoppt werden. Das bedeutet: Bei den derzeit in Wien üblichen Verfahrensdauern steht die Baustelle im Schnitt elf Monate still – gleichzeitig laufen aber die Kosten für die Einrichtung und natürlich die Finanzierungskosten. „Es passiert immer wieder, dass das vereinfachte Verfahren somit am Ende zu höheren Kosten führt“, so Kammerpräsident Sommer. Er fordert daher Korrekturen des Paragrafen 70a, damit er in der Praxis einen echten Nutzen bringt.

Und wenn es nach ihm geht, wird bei der Gelegenheit gleich die gesamte Wiener Bauordnung neu geschrieben. Sommer: „Das Werk eignet sich nicht mehr für die Regelung des zeitgemäßen Bauens, und auch die digitale Transformation stockt: Die bald 100 Jahre alte Wiener Bauordnung lässt sich kaum mit modernen Prüfroutinen kombinieren.“ Von Bundesinnungsmeister Jägersberger ist hier kein Widerspruch zu erwarten. Aus seiner Sicht, sollte es möglich sein, relativ rasch zu Lösungen zu kommen: „Es gibt zahlreiche Vorschläge, die teilweise schon seit Langem auf dem Tisch liegen. Der Ball liegt bei der Politik und der Bereitschaft, die angestrebten Reformen umzusetzen.

Ziviltechniker*innen-Vertreter Sommer zeigt sich guter Dinge, dass etwas weitergeht. „Die Behörde hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie in der Lage ist zu handeln. Sie braucht nur die Rückendeckung durch die Politik“, meint er. Seine Hoffnung: „Wenn wir die Umfrage in zwei Jahren noch einmal durchführen, dauern die Verfahren in Wien im Durchschnitt nur mehr sechs Monate.“