Objektbericht Wohnbau

Schneewittchen ohne sieben Zwerge

18.06.2025

Im Nordbahnviertel ist das höchste Mietwohnhaus Wiens entstanden. Dessen etwas irreführender Name: Schneewittchen. Denn mit Zwergen hat der Bau nichts zu tun.

Den Namen „Schneewittchen“ verbindet der kundige Märchenleser für gewöhnlich mit Zwergen. Klein ist hier allerdings gar nichts: Das Gebäude, das diese Bezeichnung trägt, beherbergt 295 Wohnungen mit einer Bruttogeschossfläche von 34.000 Quadratmetern. Es ist mit 29 Geschossen und einer Höhe von mehr als 100 Metern das höchste Mietwohnhaus Wiens. Und auch die Bewohner sind zuverlässigen Augenzeugenberichten nach nicht kleinwüchsig – dafür aber durchaus glücklich mit dem Gebäude, das sie im vergangenen Jahr bezogen haben: „Ich höre, dass die Mieterinnen und Mieter sehr zufrieden mit der Wohnqualität sind“, meint Christoph Ressler, Vorstandsmitglied des Branchenbündnisses Beton Dialog Österreich und Geschäftsführer des Güteverbands Transportbeton.

So baut man flächensparend

Schneewittchen und der benachbarte „Loftflügel“, der zusätzliche 32 Wohneinheiten bietet, befinden sich im Wiener Nordbahnviertel. Beim Bau der Gebäude hat Beton eine gewichtige Rolle gespielt: Insgesamt wurden 28.700 Kubikmeter verbaut. Der Komplex ist aus Sicht des Beton Dialogs ein positives Beispiel für flächensparendes Bauen: „Österreich braucht leistbaren Wohnraum. Gleichzeitig verlangt die Klimakrise nach umweltfreundlichen, flächensparenden und energieeffizienten Lösungen im Bauwesen.“

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Beton Dialog-Vorstand Ressler ergänzt: „Bodenschutz ist ein zentrales Anliegen der österreichischen Zement- und Betonbranche. Beton eignet sich als stabiler, robuster und langlebiger Baustoff hervorragend für platzsparenden, mehrgeschossigen Wohnbau sowie für multifunktionale Gebäude mit ober- und unterirdischen Ebenen“, so Ressler. „Auch im laufenden Betrieb solcher Gebäude spielt Beton eine Schlüsselrolle, etwa durch thermische Bauteilaktivierung.“

Sowohl bei Schneewittchen als auch im Loftflügel sind die Betondecken in den Wohnungen thermisch aktiviert. Die Wärme- und Kälteversorgung erfolgt über die Fernwärme und Fernkälte Wien. „Die Aufenthaltsräume sowie das Bad sind mit thermischer Bauteilaktivierung ausgestattet, die entsprechende Regelung erfolgt über ein Thermostat. Die Gemeinschaftsräume werden über Fußbodenheizung beheizt. Darüberhinaus verfügt das Haus über eine eigene PV-Anlage“, schildert Thomas Fischl, technischer Leiter der EGW, die als Bauherrenvertretung für die Generalplanung und Baubetreuung verantwortlich war und die Wohnanlage verwaltet.

Die thermische Bauteilaktivierung erfreut sich wachsender Beliebtheit. Sie bietet einige Vorteile: „Sie vereint das Heizen und Kühlen in einem System und kommt mit einer niedrigen Vorlauftemperatur zum Heizen der Wohnungen aus – in unserem Fall beträgt diese 38 Grad Celsius“, schildert Konrad Stabel, Projektleiter des Bauvorhabens Schneewittchen und Loftflügel bei der EGW. Die Folge der niedrigen Vorlauftemperaturen: vergleichsweise niedrige Energiekosten.

Das Nordbahnviertel überzeugt aber nicht nur mit energieeffizientem Wohnbau, sondern auch mit klimafitten Außenräumen. Bereits 2021 wurde die Bruno-Marek-Allee zum ersten Klimaboulevard Wiens erklärt. In der Wohnanlage Nordbahnhof III (Baufeld 1A) wurde zudem das städtebauliche Konzept „Freiraum auf Wohnungsebene“ umgesetzt. Die Idee dahinter: Gebäude und Landschaft werden durch eine Abfolge von Terrassen miteinander verbunden. „Diese Freiraumlandschaft wächst nach oben“ und bildet einen „Stadtsockel mit begrünten Ebenen, in dem Wohnen, Gewerbe und soziale Infrastruktur auf innovative Weise miteinander verschmelzen. So entsteht ein Gesamtkonzept aus naturnaher Begrünung, nachhaltiger Landschaftsarchitektur und durchdachter Fassadenbegrünung“, erklärt Dominik Scheuch, Geschäftsführer von Yewo Landscapes, dem Wiener Landschaftsarchitekturbüro, das diese beiden Außenräume im Nordbahnviertel geplant hat.

Die Wohnanlage Nordbahnhof III samt ihrem Freiraumkonzept wurde mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Greenpass-Zertifikat in Gold. Auch hier spielt der Baustoff Beton eine wichtige Rolle. Helle Betonpflastersteine in Kombination mit versickerungsfähigen Flächen wirken nach dem Schwammstadt-Prinzip. „Sie regulieren das Regenwassermanagement und helfen, Flächen zu entsiegeln“, sagt Beton Dialog-Vertreter Ressler. Der Effekt: Zusammen mit 41 neu gepflanzten Bäumen sorgt dieses Konzept dafür, dass sich die gefühlte Außentemperatur an Hitzetagen in der Wohnanlage, im Vergleich zu vollversiegelten Flächen, um bis zu 14 Grad reduzieren kann.