Lehre

Mädchen im Handwerk auf der Überholspur

Gewerbe und Handwerk
26.04.2022

Die Spitzenreiter der beliebtesten Mädchen-Lehrberufe sind noch immer dieselben. Aber immer öfter findet man Frauen, die sich in Handwerk und Technik vorwagen und denen traditionelle Rollenklischees egal sind. Besonders hoch im Kurs steht der Bereich Metalltechnik.
Im Gewerbe und Handwerk gibt es schon Bereiche, in denen Mädchen die Zahl der männlichen Lehrlinge überholt hat.
Im Gewerbe und Handwerk gibt es schon Bereiche, in denen Mädchen die Zahl der männlichen Lehrlinge überholt hat.

Noch immer werden gut bezahlte Lehrberufe von Mädchen traditionell weniger oft gewählt als von Burschen. Das liegt keineswegs an der Eignung, sondern daran, dass nichttraditionelle Berufe oft von Mädchen gar nicht in Betracht gezogen werden. In der Lehrlingsstatistik der WKÖ für 2020 führen daher noch immer Einzelhandel, Bürokauffrau und Friseurin/Stylistin das Ranking der typischen "Frauenberufe" an. Doch langsam aber sicher tut sich etwas. Nach und nach können Mädchen in typisch männlichen Lehrberufen Fuß fassen. Aktuelle sind 1.093 von den 4.572 Lehrlingen im Wiener Gewerbe Mädchen, das entspricht 24 Prozent.

Alte Rollenbilder brechen immer stärker auf

Vor allem der technische Bereich hat zugelegt. In der Lehrlingsstatistik 2021 der WKÖ liegt die Metalltechnik mittlerweile bei Mädchen österreichweit auf Platz sechs der beliebtesten Lehrberufe. Es gibt sogar Bereiche, in denen Mädchen die Zahl der männlichen Lehrlinge überholt hat. So machen bei den Hörgeräteakustikern mit 63 Prozent (24/15) mehr Mädchen als Burschen eine Lehre, ebenso bei den Gold- und Silberschmieden (16/10) und bei den Augenoptikern (184/116). Bei den technischen Zeichnern (77/40) und den Labortechnikern (58/30) stellen Mädchen eine knappe Mehrheit mit je 52 Prozent. Immerhin 31 Prozent weibliche Lehrlinge verzeichnet die Fahrradmechatronik (54/17) und 30 Prozent zählt man in der Glasbautechnik. Luft nach oben gibt es hingegen noch bei den Wiener Mädchen in den Lehrberufen KFZ-Technik (5 Prozent, 871/42), Metallbearbeitung (4 Prozent, 81/3), Tiefbau (62/1), Hochbau (221/4) und Spengler (45/1) mit je 2 Prozent.

„Alte Rollenbilder aufzubrechen ist schwierig, aber gelingt immer öfter. Rechtzeitige Berufsorientierung ist dabei das Um und Auf. Das weibliche Potenzial ist jedenfalls unverzichtbar, wenn es darum geht, zusätzliche Lehrlinge zu gewinnen“, sagt Maria Smodics-Neumann, Spartenobfrau Gewerbe Handwerk der Wirtschaftskammer Wien.

Den eigenen Traumberuf finden

Frauen, die sich in Handwerk und Technik vorwagen und denen traditionelle Rollenklischees egal sind, findet man immer öfter, wie beispielsweise bei der Firma Peter Merten GmbH im 22. Wiener Gemeindebezirk. Das Mechatronik-Unternehmen legt besonderen Wert auf weibliche Lehrlinge. Bereits im zweiten Lehrjahr im Beruf Mechatronik/Automatisierungstechnik ist Vanessa Schöbinger. Die 17-Jährige hat mit ihren ausschließlich männlichen Kollegen kein Problem: „Ich komm super mit den Kollegen klar. Ich finde überhaupt, jeder sollte seinen Traumberuf ausüben und sich nicht so viele Gedanken machen, ob es sich nun um einen typischen Männerberuf oder Frauenberuf handelt.“ Schon als Kind war sie sehr an Technik interessiert und hatte Spaß daran, Sachen zu bauen, zu zerlegen oder zu verkabeln. "Daher ist der Job auch perfekt für mich! Ich möchte unbedingt in meinem Beruf aufsteigen und allen beweisen, dass auch Frauen Verständnis für Technik haben!“

Entscheidungshelfer: Schnuppertage nutzen

Jessica Sperger arbeitet bereits als Jungfachkraft in der Metalltechnik/Zerspanungstechnik bei Peter Merten. Zuerst wollte sie zwar Mechatronikerin im Maschinenbau werden, da ihr das Arbeiten mit ihrem Vater, der Elektriker ist, immer Spaß gemacht hat. Nach dem Schnuppertag hat sie sich aber für die Lehre in Zerspanungstechnik entschieden. Es waren vor allem die verschiedenen Techniken, wie Feilen, Schleifen, Drehen und Fräsen, die sie begeistert haben. Probleme in diesem eher männerdominierten Bereich kennt sie nicht: "Ich hatte anfangs Sorge, die männlichen Kollegen würden mich nicht akzeptieren. Doch das stellte sich rasch als falsch heraus. Heute zählen viele der Kollegen zu meinen besten Freunden, ich verstehe mich mit allen gut." Einer ihrer Wünsche ist es, dass Mädchen schon in der Schule mehr für Technik und handwerkliches Arbeiten begeistert werden. "Ich finde, dass man allen Schülerinnen die Möglichkeit geben sollte, in sogenannte typische Männerberufe hineinschnuppern zu können."

Höherqualifizierung nach der Lehre

Die Regierung erarbeitet gerade, analog zur akademischen Bildungskarriere, die Möglichkeit zur Höheren Beruflichen Bildung.  Es soll ein eigenständiger berufspraktischer Bildungsweg geschaffen werden, der nahtlos an die Lehre anschließt und gleichwertig zum schulisch-akademischen Bildungsweg verläuft. Es werden formale Abschlüsse auf NQR-Stufe 5 möglich sein, die gleichwertig zu einem HTL-Abschluss eingestuft werden. „Dank der Höheren Beruflichen Bildung wird die Lehre enorm aufgewertet. Junge Menschen haben im Betrieb künftig dieselben Entwicklungschancen wie auf der Schulbank oder an der Uni“, sagt Smodics-Neumann. „Es muss niemand mehr nur aus Prestigegründen eine AHS-Matura machen, der Weg zur Höherqualifizierung geht jetzt auch über die Lehre.“

FiT-Programm "Frauen in Handwerk und Technik"

„Frauen in Handwerk und Technik – FiT“ ist ein Programm, mit dem Einstiege von Frauen in handwerklich technische Berufe gefördert und Unternehmen beim Aufbau von qualifiziertem Personal unterstützt werden. Das ist sozusagen eine Win-win-Situation: Einerseits für Unternehmen, die auf die Kompetenzen von Frauen zählen, wenn es um ihren Fachkräftebedarf geht und zum anderen für Frauen, die nach Arbeitsplätzen mit Zukunftschancen suchen.

Alle Informationen dazu finden Sie unter: https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/frauen-in-handwerk-und-technik