„Die Mietpreisbremse verstehe ich nicht“
Wolfgang Holzhaider, Landesinnungsmeister Bau Oberösterreich, spricht im Interview mit der Bauzeitung über Bauverfahren, die bis zu drei Jahre dauern, Normen, die zu kompliziert sind – und was er im Regierungsprogramm nicht versteht.
Herr Holzhaider, wie ist die Lage der Bauwirtschaft in Oberösterreich heuer? Rechnen Sie mit einer Erholung, oder wird 2025 sogar noch schwieriger als 2024?
Wolfgang Holzhaider: 2025 wird vermutlich schon etwas besser verlaufen als 2024. Wir spüren, dass die privaten Kunden wieder zurückkommen. Durch die Zinssenkungen wird es wieder interessant, eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus zu bauen, bestehende Häuser umzubauen oder energetisch zu sanieren. Das Auslaufen der KIM-Verordnung wird ebenfalls helfen. Ich gehe auch davon aus, dass wieder mehr Bewegung in den frei finanzierten Wohnbau kommt. Der steht derzeit fast völlig. Ab dem Herbst könnte es hier ebenfalls zu einer Belebung kommen.
Geförderter Wohnbau ist wichtig
Wie schaut es beim geförderten Wohnbau aus?
Der geförderte Wohnbau ist sehr wichtig für das Baugewerbe. Die Genossenschaften sorgen derzeit für eine Grundauslastung – zusammen mit dem Land Oberösterreich, das sehr vorausschauend in die Infrastruktur investiert. Ich denke hier an den Kindergartenausbau, Schulsanierungen oder Feuerwehrhäuser. Das sorgt für Auslastung. Das Gleiche gilt für weitere Infrastrukturmaßnahmen wie den Bau von Tunneln, Straßen oder Kraftwerken. Damit kann der Einbruch im privaten Wohnbau teilweise kompensiert werden.

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Was stimmt Sie mittelfristig zuversichtlich, was nachdenklich?
Zuversichtlich stimmt mich, dass wir in einer Demokratie leben dürfen und Österreich weiterhin als Zuwanderungsland gilt. Die Bevölkerung wächst laut Statistik Austria jährlich um circa 40.000 Menschen. Sehr stark wachsen wir bei dem Bevölkerungsanteil über 65 Jahre. Hier gilt es, neue Wohnformen für altersgerechtes Wohnen zu entwickeln und umzusetzen. Nachdenklich stimmt mich die Tatsache, dass in den Städten Baubewilligungen sehr lange dauern, was natürlich der dynamischen Entwicklung der Gesellschaft geschuldet ist. Zu erwartende Einsprüche und oft sehr individuelle Nachbarrechte haben zugenommen und stellen für unsere Behörden eine zusätzliche Herausforderung dar.
Sie sprechen die Bauverfahren an. Laut einer aktuellen Studie dauert in Wien die Genehmigung bei mehr als einem Drittel der Projekte länger als ein Jahr – die Situation hat sich laut dieser Studie in den vergangenen zwei Jahren weiter verschlechtert. Wie ist das in Oberösterreich?
Bei uns schaut es sehr ähnlich aus. Ich kenne Projekte, die bis zu drei Jahren auf die Genehmigung warten mussten. Ein wesentlicher Grund für diese lange Verfahrensdauer sind oftmals die Nachbarschaftsrechte. Es kostet praktisch nichts, einen Einspruch gegen ein Projekt einzulegen. Und wenn das dann bis in die letzte Instanz geht, kann es sehr lange dauern. Der Schaden für die Bauwerber ist immens. Sie trifft das doppelt: Einerseits haben sie die Finanzierungskosten zu tragen – und die sind aufgrund der Zinsentwicklung deutlich gestiegen. Andererseits sind auch die Baukosten in den vergangenen zwei Jahren weiter deutlich gestiegen. Das bedeutet: Je länger sich das Projekt hinzieht, desto höher die Kosten.
In Wien wird gefordert, die Kosten für Einsprüche deutlich zu erhöhen, um die Begeisterung der Nachbarn dafür zu dämpfen. Wo setzen Sie in Oberösterreich an?
Das ist ein nachvollziehbarer Ansatz. Wir denken derzeit daran, einen Ombudsmann einzurichten, der als Ansprechpartner und Mittler zwischen Bauwerber und Behörde fungiert. Er kann fragen, wo das Projekt steht, welche Unterlagen und Informationen vielleicht fehlen, was noch mit wem geklärt werden muss, um zügig zu einem Bescheid zu kommen. Man könnte es auch so formulieren: Diplomatie statt Brechstange.
Wo wir schon bei Behörden und Vorschriften sind. Das Baugewerbe macht sich bundesweit für eine Reform des Normenwesens stark. Stichwort: „Bauen außerhalb der Norm“. Was halten Sie davon?
Ich begrüße das Vorhaben sehr. Es geht darum, die Vielzahl an Normen zu entrümpeln. Man muss zwischen Normen unterscheiden, die sicherheitsrelevant sind und jenen, die komfortrelevant sind. Berechnungen in Deutschland zeigen, dass man die Baukosten um bis zu einem Drittel reduzieren kann, ohne bei der Sicherheit Kompromisse machen zu müssen. In Hamburg hat man zum Beispiel den sogenannten „Hamburger Standard“ entwickelt, in dem sehr konkret erarbeitet worden ist, wo und wie man Einsparungen erzielen kann. Ich erwarte hier wichtige Impulse. Denn wie gesagt: Die Bevölkerung wächst in Österreich jährlich um 40.000 Menschen. Wir benötigen als Gesellschaft leistbaren Wohnraum.
Wie beurteilen Sie denn die Ankündigungen der neuen Bundesregierung zum Thema Wohnbau und Bauwirtschaft?
Die grundsätzliche Richtung stimmt. Ich denke hier vor allem an die Zweckwidmung der Wohnbauförderung und die Ankündigungen zur Entbürokratisierung. Die müssen nun natürlich auch umgesetzt werden. Positiv ist auch der Entschluss, bis Ende 2026 einen realistischen Plan zum Thema Bodenversiegelung zu entwerfen, der mit Gemeinden und Ländern abgestimmt ist. Hier halte ich einen Befund des Rechnungshofs für sehr wichtig: Es gibt bekanntlich die Forderung, den täglichen Flächenverbrauch von derzeit rund 11 Hektar auf 2,5 Hektar zu senken. Der Rechnungshof hat festgehalten, dass diese Forderung nicht nachvollziehbar ist. Wir bekennen uns als Baugewerbe zum sparsamen Umgang mit dem Boden. Aber man muss auch die Fakten sehen: Wenn man die öffentliche Diskussion sieht, könnte man glauben, dass 30 Prozent der Flächen in Österreich versiegelt sind. In Wahrheit sind es 3,5 Prozent.
Gibt es auch etwas, was Ihnen am Regierungsprogramm nicht so gut gefällt?
Ja, die Mietpreisbremse verstehe ich nicht. Bei uns in Oberösterreich sind die Sozialwohnungen nicht an den Index gebunden. Es wurde in der Vergangenheit nur der erhöhte Finanzierungsanteil auf die Miete aufgeschlagen. Um die gestiegenen Betriebskosten abzufedern, gibt es sinnvollerweise Wohnbeihilfen für die sozial Schwächeren. In den frei finanzierten Mietbereich einzugreifen, was angeblich angedacht ist, halte ich für sehr bedenklich, da hier die freie Marktwirtschaft infrage gestellt wird. Gleichzeitig verunsichert es private und institutionelle Investoren, die in sichere Vorsorgewohnungen investieren möchten. Ich würde dagegen zinsgünstige, langfristige Wohnraumfinanzierungen für Eigentum sehr begrüßen. Dadurch würde benötigter Wohnraum geschaffen, und Eigentümer als mögliche Selbstnutzer wären nicht dem Mietmarkt ausgesetzt. Das Eigentum bildet auch eine großartige Pensionsvorsorge, da man im Arbeitsleben eventuelle Kredite rückführt und im Alter dann keine Mietbelastungen hat oder im Falle einer Vorsorgewohnung sogar ein Zusatzeinkommen hat.